Infektionen: Wie sich Pandemien in Zukunft vermeiden lassen

Isolationspflicht und Maskenpflicht im Fernverkehr: Corona-Regeln entfallen, damit scheint diese Pandemie offiziell beendet. Doch wie läuft's bei der Nächsten?

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Chinesische Covid-19-Patienten mussten 2020 teilweise in provisorischen Krankenhäusern wie hier in Wuhan behandelt werden., Picture alliance/EPA-EFE

Chinesische Covid-19-Patienten mussten 2020 teilweise in provisorischen Krankenhäusern wie hier in Wuhan behandelt werden.

(Bild: Picture alliance/EPA-EFE)

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Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Drei Jahre nach Pandemie-Beginn entfallen jetzt im Februar Corona-Regeln, die uns schon lange begleitet haben: Zum 2. Februar besteht bundesweit keine Maskenpflicht mehr in Bussen und Zügen des Fernverkehrs und auch die Bundesländer schaffen die Verpflichtung zum Tragen einer Maske in ihrem öffentlichen Nahverkehr ab. Die Isolationspflicht von Corona-Infizierten hatten einige Bundesländer bereits seit Ende letzten Jahres abgeschafft, zum Februar-Anfang gilt sie nun bundesweit nicht mehr. Damit hat es den Anschein, als kehre ein Großteil der Öffentlichkeit wieder zur "Normalität" zurück und richte sich ein, mit dem Coronavirus zu leben. Die Pandemie scheint beendet.

Trotzdem richten viele Experten ihren Blick bereits wieder in die Zukunft. Sie suchen nach den nächsten und übernächsten globalen Bedrohungen durch Viren oder Bakterien und versuchen, unsere Strategien gegen sie zu verbessern. Denn dass weitere Pandemien auf uns zukommen, gilt als sicher. Nur wann genau und was genau auf uns zukommt, weiß derzeit niemand.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 1/2023

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Eine gute Pandemievorsorgestrategie braucht also viele Augen, die gezielt dort hinschauen, wo die Gefahr am größten ist. Deshalb ist es wichtig, Tierreservoirs zu erforschen, aus denen Tiererreger auf den Menschen übergehen können, das sogenannte Spillover. Je besser die Erreger der Tierwelt bekannt sind, desto einfacher ist es, Gefahren früh zu erkennen und Ausbrüche schnell einzudämmen. Parallel sind Strukturen nötig, die ein schnelles, international koordiniertes Infektionsmanagement gewährleisten – besonders im globalen Süden. Noch sind die Fehler der Coronapandemie frisch. Neu gegründete Forschungsinstitute für Tierviren, Überwachungstools auf Basis von Künstlicher Intelligenz, Vorhersagemodelle für Spillover-Kandidaten und neue Ansätze des Umweltmanagements wecken die Hoffnung, dass es bei der nächsten Pandemie besser laufen wird.

Dass viel zu tun ist, damit der nächste Erreger mit Pandemiepotenzial dies nicht ausschöpfen kann, haben die vielen Fehler in der aktuellen Coronapandemie gezeigt. "Ich bin jetzt 20 Jahre im Geschäft und habe mehrere Pandemien erlebt. Aber es wird immer ernüchternder. Das anfängliche Ausbruchsmanagement auf internationaler Ebene war bei Covid-19 für mich eine völlige Enttäuschung", sagt Andreas Jansen, Epidemiologe und Leiter der Informationsstelle für Internationalen Gesundheitsschutz (INIG) am Robert Koch-Institut (RKI).

So wurden etwa reflexhaft Staatsgrenzen geschlossen, "anstatt zumindest auf europäischer Ebene gemeinsam vorzugehen und die Städte und Regionen zu unterstützen, in denen das Virus zuerst ankam", kritisiert Jansen. Für eine solche Koordinierung gäbe es genug Strukturen. Allein: "Das war nie ein Problem der Koordination. Es fehlte an Solidarität und Verantwortung", so der Epidemiologe. Diese Verhaltensmuster fanden ihren Höhepunkt in der Ausgrenzung ärmerer Länder beim Impfstoffkauf und in der anschließenden Vernichtung abgelaufener Impfdosen.

Das sind die größten zoonotischen Ausbrüche, die bisher aufgezeichnet wurden.

(Bild: Quelle: Springer Nature Switzerland AG)

Zudem mahnen Forscher immer wieder, dass es längst einer besseren Entwicklungsförderung für Universalimpfstoffe und -medikamente bedurft hätte, die gegen ganze Virenfamilien anstatt nur einzelne Viren wirken. Gegen Influenza – die echte Grippe – suchen Forschende erfolglos seit Jahrzehnten nach einem langfristig wirkenden Impfstoff. Auch die Gefahr der Coronaviren hätte man kommen sehen können – spätestens als es knapp zehn Jahre nach dem SARS-1-Ausbruch mit MERS zum nächsten bedrohlichen Corona-Ausbruch kam. "Ehrlich, wir hätten schon längst ein Mittel entwickeln sollen, schon seit Sars-1 2003 aufgetreten ist. Der einzige Grund, weshalb wir es nicht getan haben, ist die fehlende Finanzierung", sagte Vicent Racaniello, Virologe von der New Yorker Columbia University der "New York Times".

Und nicht zuletzt haben auch die großen Gesundheitsbehörden wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die US-Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) Fehler gemacht. Man habe zwar bei den Schutzmaßnahmen auch über Lüften und Maskentragen gesprochen, aber nicht mit genug Nachdruck gesagt: "Das ist ein luftübertragenes Virus", bekannte Soumya Swaminathan, Kinderärztin und scheidende WHO-Chefwissenschaftlerin, kürzlich in einem Interview mit dem Fachjournal "Science". "Ich bedaure, dass wir das nicht viel, viel früher getan haben."

Es gibt also viel Potenzial, es das nächste Mal besser zu machen. Und es ist gleichzeitig wahrscheinlich, dass die Welt bei der nächsten drohenden Pandemie – aus Angst vor wirtschaftlichen und sozialen Folgen und ideologischer Spaltung – wieder vieles falsch machen wird. Einerseits.

Andererseits hat die Pandemie durchaus Anstöße für Verbesserungen gegeben, durch die wir das nächste Mal trotzdem wissenschaftlich, technisch und teilweise sogar finanziell besser gerüstet sein könnten. Parallel dazu hat sie auch gezeigt, welche existierenden Technologien sich bewährt haben, aber ausgebaut werden müssten.