Infektionen: Wie sich Pandemien in Zukunft vermeiden lassen

Seite 4: Gefahrenliste für jedes Land

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Eine weitere NGO, die Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung (CEPI) aus Norwegen, startete 2017 als kleine Antwort auf die Ebola-Ausbrüche von 2014 und 2015. Inzwischen hat sich CEPI zu einem führenden Akteur für die Koordination und Finanzierung von Impfstoffentwicklungen gemausert. Finanziert wird sie etwa von der Gates-Stiftung, der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID, zahlreichen Ländern weltweit und privaten Investoren. CEPI fokussiert sich auf Infektionskrankheiten mit Pandemiepotenzial und versucht, vielversprechende Forschungsprojekte zu identifizieren. Sie vermittelt diese an staatliche und industrielle Partner, um pro Krankheit möglichst mehrere Impfstoffkandidaten in klinische Studien zu bringen. Das ist essenziell, um das allgegenwärtige Entwicklungsrisiko zu minimieren, dass ein Hauptkandidat in den klinischen Studien scheitert.

In einer Partnerschaft hat CEPI auch die University of California in Davis bei der Entwicklung eines frei zugänglichen Risikoabschätzungstools namens SpillOver unterstützt. Es erstellt über die Auswertung von 31 Risikofaktoren eine Rangliste von bekannten und neu entdeckten Viren mit besonders hoher Spillover-Wahrscheinlichkeit.

Jedes Land kann anhand der lokalen Risikofaktoren seine eigene Gefahrenliste erstellen. Die Rangliste sagt dabei laut der Entwicklungsleiterin Jonna Mazet von der UC Davis zwar nicht voraus, welches Virus als Nächstes eine Pandemie verursachen wird. Es indiziert aber Krankheiten und Virusfamilien, die besondere Beobachtung verdienen und gegen die man bevorzugt Impfstoffe entwickeln sollte.

In den 2020 publizierten Programmen landete das von einer afrikanischen Ratte übertragene, hämorrhagische Lassa-Fieber im Spillover-Ranking auf Platz 1 und rangiert nach einer Aktualisierung derzeit immer noch auf Platz 2 hinter SARS-CoV-2. Das CEPI sei vom Ergebnis angenehm überrascht gewesen, da es ihren Fokus auf Lassa-Impfstoffe bestätige, so Mazet. Derzeit unterstütze CEPI fünf Impfstoffkandidaten. Wie dringlich sie sind, unterstreicht die wachsende Gefahr, dass der Lassa-Erreger durch veränderte Umweltbedingungen künftig außerhalb des Endemiegebietes in Westafrika auf dem gesamten Kontinent heimisch wird.

"Und wenn Sie sich dann noch die bisher unbekannten Viren in der Liste ansehen, sind da eben auch zahlreiche Coronaviren. Die Liste sagt uns also: Geht hin und untersucht deren Erbgut und die Bindungsrezeptoren, weil es besorgniserregend ist, dass sie in der Liste so weit oben stehen", sagt Mazet.

Monitoring und Impfstoffe sind die klassischen – wenn auch jetzt ausgebauten – Strategien, um Pandemien etwas entgegenzusetzen. Umweltprophylaxe nicht, da die meisten Erreger mit Pandemiepotenzial über die Luft übertragen werden. Nur wer trägt schon ständig FFP-2-Masken? Die meisten Übertragungen erfolgen in Innenräumen. Nimmt man also die Ansteckungsgefahr in der Luft ernst, ist es nicht nur konsequent, sondern auch zwingend, über Grenzwerte in der Raumluft für Keimbelastungen nachzudenken. Denn Raumschutzmaßnahmen könnten selbst vor unbekannten Viren schützen, bevor diese identifiziert sind und es Impfstoffe gegen sie gibt.

"Wir verbringen oft mehr als 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen", sagt Lidia Morawska von der Queensland University of Technology im australischen Brisbane. Zuhause, auf der Arbeit, beim Pendeln in Auto, Bus und U-Bahn und auch beim Reisen mit Zug und Flugzeug.