Krisenbewältigung: Motorrad-Neuzulassungen im 1. Halbjahr 2020

Die Motorradbranche steht nach den ersten sechs Monaten 2020 erstaunlich gut da. Der Einbruch ist nur geringfügig und die meisten Händler sind optimistisch.

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Krisenbewältigung: Motorrad-Neuzulassungen im 1. Halbjahr 2020

Die Lage der Motorradbranche nach dem ersten Halbjahr 2020 ist erstaunlich gut.

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Als die Bundesregierung Mitte März wegen der Covid-19-Pandemie den Ausgang beschränkte, überkam viele Motorradhändler das Grausen. Traditionell verkaufen sie zu Saisonbeginn im März und April die meisten Motorräder. Doch das war ihnen nun behördlich untersagt, lediglich die Werkstätten durften als systemrelevant noch offen bleiben.

Motorradbranche nach dem ersten Halbjahr 2020 (15 Bilder)

Als im März Ausgangsbeschränkungen in Deutschland verhängt wurden, grauste es vielen Motorradhändlern. Im März und April verkaufen sie traditionell die meisten Motorräder.

Theoretisch hätten die Händler ihre Motorräder zwar online oder telefonisch verkaufen können, doch das machte kaum jemand, denn Motorradfahrer wollen ein neues Modell anfassen und probefahren. Die schon im Laden befindlichen Motorräder ließen sich somit nicht verkaufen und bereits von Kunden georderte Bikes konnten teilweise von den Importeuren nicht geliefert werden. Bei vielen Marken standen in den jeweiligen Produktionsländern auch die Bänder wegen der Corona-Pandemie still.

Doch als Ende April in Deutschland der Lockdown für die Motorradhändler aufgehoben wurde, stürmten die Kunden die Verkaufsräume. In Krisenzeiten neigen die Konsumenten eher zum Sparen, lehrt uns die Volkswirtschaft, deshalb musste die Autoindustrie auch gewaltige Einbrüche verkraften. Doch auf die Motorradfans traf das nicht zu, sie wollten weiter ihrer Zweirädrigen Leidenschaft frönen und kauften eifrig Krafträder.

Was sie im März und April nicht gekauft hatten, holten die deutschen Motorradkunden ab Ende April nach. Mit Mundschutz und unter Einhaltung des „Social Distancing“ tauchten sie scharenweise bei den Motorradhändlern auf, das gute Wetter förderte die Kauflust der Biker zusätzlich. Bei manchen Modellen kamen die Marken mit der Lieferung kaum noch hinterher.

Nach einem halben Jahr zog die deutsche Motorradindustrie eine erfreuliche Bilanz: Der Verkauf von Krafträdern war wider erwarten um nur 5,8 Prozent zurückgegangen. In Stückzahlen ausgedrückt: Es wurden mit 70.877 Krafträdern über 125 cm3 lediglich 4360 Stück weniger verkauft als im Vorjahreszeitraum. Bei den Leichtkrafträdern und -rollern spielte sich sogar Erstaunliches ab: Die Industrie verzeichnete 15.970 neu zugelassene 125er und damit ein Plus von 45 Prozent, bei den Leichtkraftrollern waren es mit 14.771 Einheiten sogar satte 68,5 Prozent mehr. Hier spielte die neue Führerscheinregelung eine Rolle, nach der Autoführerscheinbesitzer über 24 Jahre auch 125er fahren dürfen, ohne dafür eine Prüfung ablegen zu müssen, es sind lediglich mindestens neun Unterrichtseinheiten zu je 90 Minuten zu absolvieren.

Einige befragte Motorradhändler zeigten sich sichtlich erleichtert über die Verkaufsentwicklung. Das finanzielle Defizit, das sich im März und April angehäuft hatte, war zur Jahresmitte wieder ausgeglichen, manche konnten sogar bereits einen leichten Gewinn verzeichnen. Im zweiten Halbjahr sinken traditionell die Verkaufszahlen deutlich bis zum Jahreswechsel, aber die ab 1. 1. 2021 verbindliche Euro-5-Norm könnte dieses Jahr noch einmal einen Endspurt auslösen, wie er bereits Ende 2016 kurz vor Einführung der Euro-4-Norm stattfand. Ab 2021 Jahr dürfen keine Neumotorräder mehr zugelassen werden, die nicht der Euro-5-Norm entsprechen, deshalb müssen die Händler zusehen, die noch auf Lager befindlichen Euro-4-Modelle loszuschlagen. Zwar beantragte die Motorradindustrie bei den zuständigen EU-Stellen in Brüssel wegen der Pandemie eine Aufschiebung des Termins, aber noch ist nichts diesbezüglich entschieden.

Europaweit sieht der Motorradverkauf nicht ganz so rosig aus wie in Deutschland. Unter den fünf verkaufstärksten Ländern in Europa führt Deutschland mit insgesamt 110.863 neu zugelassenen Motorrädern im ersten Halbjahr 2020. Zählt man die Verkaufsstatistiken aller fünf Länder – Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien – zusammen, so kommt man auf 413.212 neu zugelassene Krafträder und -roller. In den ersten vier Monaten 2020, zu Beginn der Pandemie, brach der Verkauf um heftige 32,7 Prozent ein. Doch im Mai und Juni verzeichneten die Händler in den fünf genannten Ländern bereits wieder steigende Zahlen und so reduzierte sich das Minus im ersten Halbjahr auf rund 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Italien, das bekanntlich als erstes Land in Europa hart von Covid-19 getroffen wurde, kommt auf 106.507 Motorrad-Neuzulassungen im ersten Halbjahr und Frankreich auf 91.093. Dahinter folgt Spanien mit 62.268 Neuzulassungen und Großbritannien – mittlerweile europäischer Spitzenreiter bei den Covid-19-Infizierten – bringt es auf nur noch 47.710 Stück. Ganz offensichtlich profitiert der deutsche Motorradmarkt von den relativ früh eingeleiteten Maßnahmen und dem verhältnismäßig glimpflichen Verlauf der Pandemie in Deutschland.