Mash-ups für Professoren

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Vom Silo zur Web-Software

Weltweit gibt es heute ungefähr 2600 Open-Access-Zeitschriften. Das ist zwar ein Viertel mehr als 2005, aber immer noch eine kleine Insel im Meer der kostenpflichtigen Angebote. Die steilen Zuwachsraten zeigen jedoch, dass viele Akademiker auf die Gelegenheit gewartet haben und dafür auch das Risiko in Kauf nehmen, statt in den angesehensten Journalen nur in neuen Nischenpublikationen abgedruckt zu werden. PLoS Biology etwa verzeichnete 1891 eingereichte Artikel in 2005, von denen 330 veröffentlicht wurden. Im Jahr darauf stieg die Zahl auf 4127 Einreichungen zu 689 Veröffentlichungen. Wissenschaftler aus etwa 50 Ländern bieten ihre Artikel inzwischen in San Francisco an.

Für die drei Gründer von PLoS, darunter der Nobelpreisträger Harold Varmus, ist das der Anfang einer Revolution, bei der Akademiker, Hochschulen, Fördereinrichtungen und Web-Programmierer an einem Strang ziehen: "Open Access wird es Wissenschaftlern erlauben, Fachliteratur in etwas weitaus Nützlicheres zu verwandeln als nur das elektronische Äquivalent von Millionen Einzelartikeln, die sich in Bibliotheksregalen aufreihen", schrieb das Trio in einem Geleitwort zur ersten Ausgabe von PLoS Biology. Denn letztlich geht es PLoS und Wissenschaftlern wie Hey oder Murray-Rust darum, das wissenschaftliche Arbeiten vom Experiment bis zum fertigen Paper ins Web-Zeitalter zu befördern, in dem Offenheit und Kollaboration an erster Stelle stehen.

Die elektronische Veröffentlichung eines Fachaufsatzes ohne Zugangsbeschränkungen ist dabei nur der erste Schritt – aber selbst dazu bedurfte es fast zwei Jahrzehnte Pionierarbeit: Akademiker fordern bereits seit Anfang der 90er-Jahre, Forschungsergebnisse in freien Archiven zugänglich zu machen. Den Anfang machte der Physiker Paul Ginsparg an den Los Alamos Labors, der 1991 einen arXiv genannten Dienst einrichtete, in dem seine Fachkollegen die letzte Version eines Aufsatzes vor der Veröffentlichung deponieren konnten. Heute wird das Archiv mit mehr als 400000 Manuskripten an der Cornell-Universität gepflegt.

Ginspargs Idee fand Nachahmer in den Computerwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und anderen Disziplinen, aber es blieb bei losen Sammlungen von nach Disziplinen getrennten Silos, in denen es jedem Wissenschaftler überlassen bleibt, seine Arbeiten einzuspeisen oder nicht. Die zweite Hälfte der 90er-Jahre brachte das große Erwachen der Open-Access-Bewegung mit sich – angestoßen vom offenen Charakter des Human Genome Projects und dem Heraufziehen des Webs samt neuartiger Suchmaschinen, die Wissen plötzlich einem globalen Publikum präsentieren. Die National Institutes of Health in den USA, Herr über knapp 14 Milliarden Dollar an Fördergeldern im Jahr, starteten 1999 unter Führung ihres damaligen Chefs Harold Varmus die E-biomed-Datenbank. Was ursprünglich alle mit Steuergeldern geförderten Aufsätze umfassen sollte, wurde allerdings aufgrund des Widerstands der Verlage zu PubMed Central gestutzt, einer Datenbank hauptsächlich mit Zusammenfassungen und Aufsätzen, die erst ein halbes Jahr nach ihrer Erstveröffentlichung aufgenommen werden.

Etwa zur gleichen Zeit begannen Universitäten, Standards und bedienerfreundliche Software zu entwickeln, um das Deponieren von Forschungsarbeiten und die Suche danach zu vereinfachen. Die Universität Southampton in Cornwall, an der Microsoft-Forscher Hey damals arbeitete, war der Pionier und veröffentlichte im Jahr 2000 eine EPrints genannte Software, gefolgt vom MIT, das gemeinsam mit den Hewlett-Packard Labs seine eigene Variante namens DSpace entwickelte. Heute sind weltweit rund 20 verschiedene Software-Systeme in mehr als 1400 Hochschul- und anderen akademischen Literaturdeponien im Einsatz, schätzt Hey.