Meinungsfreiheit im Netz: Wann kritische Bewertungen laut BGH zulässig sind

Seite 2: Schmähkritik

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Gerichte urteilen seit jeher bei angegriffenen Äußerungen sehr unterschiedlich, die Juristen als "Schmähkritik" bezeichnen. Bei Schmähkritik geht es um Aussagen, die nicht in erster Linie der sachlichen Auseinandersetzung dienen, sondern eine Person oder ein Ding herabwürdigen oder diffamieren sollen. 2019 hat sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Urteil mit Abgrenzung der Meinungsfreiheit von der Schmähkritik beschäftigt (Az. 1 BvR 2433/17).

Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass die Grenzen für zulässige Äußerungen sehr weit zu ziehen sind. Dem Beschluss zufolge kann es sogar zulässig sein, die Verhandlungsführung einer Richterin mit "nationalsozialistischen Sondergerichten" und "Hexenprozessen" in Verbindung zu bringen. Derlei Äußerungen hielt das BVerfG nicht für reine Schmähkritik, da sie in einem Ablehnungsgesuch gegen die Richterin getätigt wurde – und damit im Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung.

In der jetzt vom BGH entschiedenen "Wucher!!"-Sache waren die Vorinstanzen zu unterschiedlichen Entscheidungen gekommen. Das Amtsgericht (AG) Weiden (Oberpfalz) hat die auf Entfernung der Bewertung und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage des Verkäufers abgewiesen. Die strittige Äußerung erachtete der Richter als zulässiges Werturteil. Es weise einen Sachbezug auf, weil es in Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei. Dies sah das Landgericht (LG) Weiden komplett anders und verurteilte den Beklagten dazu, die Bewertung zu entfernen und die Anwaltskosten zu begleichen.

Eine besondere Rolle spielen nach Ansicht der LG-Richter die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von eBay. Der Anbieter fordert darin, dass Bewertungen "sachlich gehalten sein" müssen und "keine Schmähkritik enthalten" dürfen. Bei der Bewertung handle es sich dem Gericht zufolge um eine "überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug", die nicht gerechtfertigt sei. Insbesondere sei für einen objektiven Leser nicht erkennbar, warum sich die Versandkosten aus Sicht des Käufers als "Wucher" darstellten.