Metaverse: Was hinter Facebooks Plänen steckt

Facebook baut das Metaverse – eine Art Plattform, die physische und digitale Welt verbinden soll. Ob das Vorhaben gelingt?

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Hier zu sehen sind Besucher der immersiven Kunstinstallation "Machine Hallucinations – Space: Metaverse" des Medienkünstlers Refik Anadol in Hongkong. Das Metaverse soll die physische und die digitale Welt vereinen, wie diese Installation symbolisch zeigt., REUTERS/Tyrone Siu

Hier zu sehen sind Besucher der immersiven Kunstinstallation "Machine Hallucinations – Space: Metaverse" des Medienkünstlers Refik Anadol in Hongkong. Das Metaverse soll die physische und die digitale Welt vereinen, wie diese Installation symbolisch zeigt.

(Bild: REUTERS/Tyrone Siu)

Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Eva Wolfangel
Inhaltsverzeichnis

Ist die Zukunft schon da? Wer Mark Zuckerberg zuhört, könnte fast zu dem Schluss kommen, dass wir kurz vor einer neuen technologischen Revolution stehen. Das nächste große Ziel des Unternehmens sei es, das Metaverse zu bauen, kündigte Zuckerberg im Juni letzten Jahres an. Wie ernst es der Facebook-Gründer meint, zeigt sich daran, dass er im Oktober 2021 den Konzern in "Meta" umbenannt hat.


Dieser Text stammt aus der Ausgabe 8/2021 von MIT Technology Review (das PDF des Heftes ist im heise shop erhältlich).


Meta, Metaverse – eine klarere Ansage gibt es wohl kaum. Bereits im Sommer wurde Zuckerberg in einem Podcast des Tech-Magazins The Verge konkreter. So solle das Metaverse nicht nur über VR- und AR-Brillen zugänglich sein, sondern auch über zweidimensionale Geräte wie PC-Bildschirme oder Handyscreens. Der frisch gebackene Metaverse-Teamchef Andrew Bosworth erklärte: "Das Metaverse ist schon da als eine Kollektion von digitalen Welten, jede mit ihrer eigenen Physik, die bestimmt, was darin möglich ist." Nur: Wenn es schon da ist – was genau möchte Zuckerberg dann "lebendig werden lassen", und wieso dann so große Investitionen?

Aber was ist das Metaverse überhaupt? Offenbar gibt es viele Definitionen und Glaubenswelten. Der Science-Fiction-Roman Snow Crash von Neal Stephenson von 1992 nennt den Begriff als Erster und definiert das Metaverse als ein Zusammenkommen der realen physischen Welt mit der virtuellen sowie erweiterten Realität in Form einer gemeinsamen Online-Welt. Auch wenn viele das Metaverse mit dem Film Matrix oder Ready Player One verbinden, ist es also weit mehr als eine rein virtuelle Welt.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 8/2021

Mehr über unser Gehirn und ob es im Alltag durch Meditation und Achtsamkeit wirklich zur Ruhe kommt, hinterfragt die neue Ausgabe 8/2021 von Technology Review. Das Heft ist ab dem 11.11.2021 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Das Metaverse sei "das, was der Teleportation am nächsten kommt", sagt Zuckerberg. Im Interview spricht er von der Gelegenheit, sich mit anderen zu treffen, vom Gefühl der Immersion, vom Eindruck, "wirklich da zu sein". Doch das nicht (nur) in der virtuellen Realität, sondern mit allen möglichen Mitteln, Geräten und Orten. Es werde eine "persistente, synchrone Umwelt" sein, "in der wir zusammen sein können". Später spricht er von einer "Umwelt, in der wir verkörpert sind", noch später fällt der Begriff "verkörpertes Internet".

"Ich bin überrascht darüber, dass ein Konzernchef eines Unternehmens vom Format von Facebook so einen großen Veränderungsprozess ankündigt auf Basis von Technologien und Visionen, die noch Jahre entfernt oder gar Science-Fiction sind", sagt Matthias Bastian, Branchenexperte und Herausgeber von Mixed.de, einem Online-Magazin für VR, AR und KI.

Vieles von dem, was Zuckerberg im Zusammenhang mit dem Metaverse ankündigt, hat man schon mal gehört. Die Idee, den "Raum zwischen den Computern" zu nutzen und die physische Welt mit der virtuellen zu verbinden, ist nicht neu: Second-Life-Gründer Philip Rosedale sagt, er träume davon, seit er ein Kind ist. Second Life kann man durchaus als eine frühe Form des Metaverse sehen, auch wenn es nur zweidimensional nutzbar war und ist. Doch Second Life ist eine eigene Welt mit einer eigenen Ökonomie, sozialen Beziehungen, Arbeitsplätzen und vielem von dem, was der Investor Matthew Ball in einem viel beachteten Aufsatz kürzlich als die Grundprinzipien des Metaverse beschrieben hat: unter anderem eine eigene Ökonomie, eine ständige Präsenz, synchron anstatt asynchron und voller Erlebnisse, die von verschiedenen Akteuren wie Individuen, Gruppen oder auch Unternehmen kreiert werden.

Laut Ball ist das Metaverse schon lange das Ziel vieler Tech-Unternehmen und vor allem auch das von Spieleanbietern wie Epic Games, den Machern von Fortnite: ein Multiplayer-Spiel, in dem die Spieler gegeneinander spielen, miteinander agieren und eigene Welten bauen können. Es finden Popkonzerte mit mehreren Millionen Zuschauern statt. Als der Rapper Travis Scott im April 2020 mit einer psychedelischen Show auftrat, waren 12,3 Millionen Menschen zeitgleich in Fortnite. Es gibt zudem eine eigene Währung, und Spielende lassen sich die Ausstattung ihrer Avatare einiges kosten. Insofern ist Fortnite längst mehr als "nur" ein Spiel.

In Multiplayer-Games wie Fortnite sind Ansätze des Metaverse durchaus schon umgesetzt. Spieler und Spielerinnen zocken nicht nur miteinander, sondern gestalten virtuelle Welten, kaufen Skins und Avatare, die sie dann stolz präsentieren.

(Bild: Abbildung: Fortnite)

Vor diesem Hintergrund kann VR-Experte Bastian der Idee eines technologieübergreifenden Metaverse durchaus etwas abgewinnen: "Wenn man Metaverse nicht als rein virtuelle Welt sieht, sondern als Mischung des virtuellen und des realen Lebens, kann das attraktiv sein." So sei ein Problem beispielsweise eines Fortnite-Avatars, dass man ihn nicht mit in die reale Welt nehmen kann – gleichzeitig geben Nutzerinnen und Nutzer teils viel Geld für ihr virtuelles Erscheinungsbild aus. Wenn das Metaverse tatsächlich digitales und materielles Leben überspannt, weil sich etwa mittels Augmented Reality eine Schicht über die reale Welt legen lässt, wird virtuelle Mode noch attraktiver. "Im Metaverse kannst du als Avatar auf die Straße gehen und jeder, der ein AR-Headset hat, kann deinen Avatar sehen." So könnte zum Beispiel um Avatar-Mode eine weit größere Ökonomie entstehen, als sie heute schon besteht.

Auch das Problem mit der Immersion sieht Bastian relativ – aus seiner Sicht kann das Metaverse auch auf dem Bildschirm oder dem Handyscreen durchaus funktionieren. "Immersion ist nicht an oder aus, sondern eher als Spektrum zu verstehen. Ich glaube schon, dass sich ein junger Mensch auf so einem Fortnite-Konzert mit seinen Freunden als Teil einer immersiven Welt fühlt – sogar ohne VR-Brille, ganz normal vor dem Monitor."

Metaverse-Ansätze scheinen in sozialen virtuellen Welten wie etwa Fortnite also in gewisser Weise schon umgesetzt. Aber das Metaverse geht laut Ball noch deutlich weiter: Es muss persistent sein, es pausiert oder endet also nie, selbst wenn man selbst nicht eingeloggt ist. Und: "Die Attraktionen werden nicht zentral gestaltet oder programmiert sein, und es wird auch nicht nur um Spaß und Unterhaltung gehen", so Ball. Und vor allem sei das Metaverse keine neue Plattform wie Youtube oder Facebook.