Missing Link: Von Corona-Patenten, mRNA-Open-Sourcing und öffentlichen Gütern

Seite 5: Afrigen: Nein, kein Reverse Engineering

Inhaltsverzeichnis

Von Reverse Engineering sprachen viele Medien auch beim ersten mRNA Kandidaten aus Afrika, den das Biotech-Unternehmen Afrigen in Kapstadt kürzlich ankündigte. Afrigen ist zusammen mit dem südafrikanischen Impfstoffhersteller Biovac Projektträger des mRNA-Hubs der Weltgesundheitsorganisation. Auf der Basis einer lokalen mRNA-Plattform sollen, so das im vergangenen Jahr angekündigte WHO Projekt, in zahlreichen Ländern Afrikas und mittelfristig auch Lateinamerikas mRNA Impfstoffe gegen Covid, aber eben auch weitere in den Ländern des Südens verbreitete Krankheiten produziert werden.

Afrigen Direktorin Petro Terblance berichtigt in ihren Antworten gegenüber heise online: "Wir haben Modernas Impfstoff nicht reverse-engineered", schreibt sie. Anders als beim Reverse Engineering habe man eben nicht Modernas Produkt auseinandergenommen, analysiert und dann nachgebaut." Vielmehr hätten Afrigens Wissenschaftler gemeinsam mit der Wits Uni die von der Stanford Universität veröffentlichte Coronasequenz genutzt, ein Plasmid designt und diese Sequenz als genetischen Input für die Entwicklung eines Impfstoffes genutzt. Auch Moderna habe genau diese Sequenz benutzt in seiner Entwicklung. Afrigen habe aber nichts anderes als öffentlich verfügbares und eigenes Wissen genutzt in dem Prozess. Jetzt bereite man präklinische Tests vor, um die eigene mRNA-Plattform an den Start zu bringen.

Bei Unterstützung durch die Pharmaunternehmen könnte man deutlich schneller sein. Weil alle klinischen Studien und Zulassungsschritte neu gemacht werden müssten, braucht man dafür 36 Monate mehr.

(Bild: Afrigen Cleanroom)

Das laut Beobachtern mit viel Energie gestartete mRNA-Hub-Netzwerk hat laut Terblanche aktuell 14 Partner. Die WHO suche aber nach weiteren, um den Globalen Süden mit eigenen Produktionskapazitäten auszustatten und Firmen in den verschiedenen Regionen zu ermächtigen, mRNA-Impfstoffe zu entwickeln und zu produzieren.

Und wie sieht es für den Hub und Afrigen mit Sorgen wegen Patentklagen aus? Man operiert unter einer freiwilligen Patentfreigabe von Moderna. Das US-Unternehmen, dessen mRNA-Entwicklung fast vollständig durch öffentliche Mittel finanziert wurde, hatte zu Beginn der Pandemie verkündet, zunächst seine Patentrechte nicht durchzusetzen. Aktuell, weil man noch in der Phase der Entwicklung sei, so Terblanche, sei man überdies von der sogenannten Bolar Klausel geschützt. "Wir wissen auch, welche IP wir über freiwillige Lizenzen oder eben die eine TRIPS Patentfreigabe beschaffen müssen", so die Südafrikanerin.

Natürlich suche man auch nach innovativen technischen Schritten, um Patente, wo diese bestehen, möglicherweise zu umgehen. "Afrigen wird eher ein Produkt aufgeben als Patente verletzen", versichert sie, aber wir setzen darauf, dass wir freiwillige Lizenzen bekommen werden, um unsere mRNA-Plattform für mRNA-Impfstoffe an den Markt bringen zu können.