Missing Link: Was ein flexibler Strommarkt für Geldbeutel und Klimaschutz bringt

Seite 2: Bidirektionales Laden bei Elektroautos

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Elektrofahrzeuge etwa können den Experten zufolge durch die Verlagerung ihrer Last für Flexibilität sorgen. Für ihr Zukunftsszenario gehen sie davon aus, dass mit intelligentem Laden der gesamte tägliche Strombedarf für E-Autos optimiert wird, wenn diese an das Netz angeschlossen sind. Für die 27 Mitgliedsstaaten nehmen sie eine Gesamtzahl von etwa 60 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 an. Zum Vergleich: Im April 2022 waren in Deutschland rund 687.200 "Stromer" zugelassen.

Zusätzlich zogen die Fachleute Zahlen der EU-Kommission heran, wonach derzeit 30 Prozent der Ladegeräte bereits auf bidirektionales Laden ausgerichtet sind. Dieses erlaubt die Einspeisung der Batterie ins öffentliche Netz: E-Autos können so Strom aus ihren Antriebsakkus etwa ins Smart Grid zurückführen. Ein solches "Vehicle-to-Grid"-Modell (V2G) wird in der Studie insgesamt wie eine große virtuelle Batterie "hinter" dem Stromzähler direkt bei den Verbrauchern betrachtet, deren Laden und Entladen durch die an das Netz angeschlossenen E-Autos begrenzt ist.

Die entsprechenden Voraussetzungen hat der Bundestag hierzulande im Juli mit dem "Osterpaket" prinzipiell geschaffen. Die Bundesnetzagentur kann damit nun bundeseinheitliche Vorgaben für die Netzintegration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und Netzanschlüssen festlegen. Praktisch schließt das die Option ein, akkugetriebene Fahrzeuge als lokale Batteriespeicher zu nutzen und durch bidirektionales Laden ins Netz zu integrieren. Konkrete Schritte in diese Richtung muss die Regulierungsbehörde noch machen.

Ingrid Nestle, Sprecherin für Klimaschutz und Energie der Grünen-Bundestagsfraktion, begrüßte den Beschluss: Ob ein E-Mobil "über Nacht eine halbe Stunde früher oder später lädt, macht für den Fahrer am Morgen keinen Unterschied. Für die Stabilität des Stromnetzes kann es ein großer Vorteil sein." Stromversorger und Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums hatten zuvor für das Modell der "Spitzenglättung" geworben. Es sieht vor, dass E-Autos oder Speicheranlagen im Heim in Spitzenzeiten weniger Strom aus dem Netz beziehen können und für einen unbeschränkten Verbrauch höhere Entgelte fällig sind. Davon ist in der Untersuchung nicht direkt die Rede.

Näher gehen die Verfasser auf den Trend "Behind the Meter" (BTM) ein. Mit dem Begriff werden Photovoltaik-, Solar- und Energiespeichersysteme "jenseits des Stromzählers" bezeichnet, die ein Haus oder Gebäude mit Strom oder Wärme versorgen, ohne dass die Kleinerzeuger auf ein Energieunternehmen angewiesen sind. Ein BTM-System macht grundsätzlich nicht nur unabhängig vom Stromnetz, sondern verringert auch das Risiko einer Nichtversorgung oder eines lokalen Blackouts, da es die Energieresilienz der eigenen vier Wände erhöht: Wer über ein BTM-Speichersystem verfügt, sollte bei einem Stromausfall bei der Versorgungsfirma weiterhin in der Lage sein, die selbstproduzierte Energie im Haus oder Büro zu nutzen.

BTM-Batterien bieten laut der Analyse generell Flexibilität durch tägliches Laden und Entladen, wenn die flexiblen Preise eine ausreichende Spanne aufweisen, um ihre Effizienz und Betriebskosten zu decken. Die DNV hat hier insgesamt 10,9 Gigawatt (GW) an BTM-Batterien in der EU berücksichtigt.

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Ferner betrachten die Autoren die industrielle Nachfragesteuerung als "abschaltbare Last". Diese könnte ihnen zufolge mit dem Instrument der "Industrial Demand-side Response" (DSR) oberhalb eines bestimmten Strompreises gedrosselt werden, der je nach Kategorie variiert und auf den Kosten basiert, die der Industrieanlage bei einer Betriebsunterbrechung entstünden. Insgesamt seien 21,7 GW an industrieller DSR-Kapazität in allen Mitgliedstaaten vorhanden.

Laut einer anderen Studie könnten auf Industrieseite etwa Rechenzentren durch Puffer und Speicher eine große Flexibilitätsreserve für das Netz bereitstellen und so helfen, die Volatilität grüner Energiequellen aufzufangen. So sei es den Betreibern etwa möglich, eine unterbrechungsfreie Stromversorgung mit Lastverschiebung, Notstromgeneratoren und Backup-Erzeugung zur Verfügung zu stellen.

In dem neuen DSF-Modell nehmen die Forscher zudem an, dass die gesamte flexible elektrische Heizung für Privathaushalte durch Wärmepumpen bereitgestellt wird. Sie betrachten diesen Posten als verschiebbare Last innerhalb von 12-Stunden-Zeiträumen. Die Versorger könnten der halbtäglichen Nachfrage, die auf das elektrische Heizen von Wohngebäuden zurückgeht, grundsätzlich nachkommen. Die Stunden, in denen der Verbrauch stattfindet, ließen sich aber über die Zeit verschieben. Um diese Last darzustellen, hat die DNV einen Gesamtstromverbrauch für die Raumheizung in Höhe von 449 Terawattstunden (TWh) bis 2030 angesetzt.