Plug-in-Hybride: Das Ende hat begonnen

Ein verschärfter Utility Factor führt dazu, dass die ausgewiesenen CO₂-Emissionen von Plug-in-Hybriden steigen. Das macht sie weniger attraktiv.

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VW Golf GTE

Plug-in-Hybride sind auf einigen Märkten derzeit sehr beliebt. In Deutschland sind sie durch Steuervorteile vor allem für gewerbliche Nutzer interessant.

(Bild: VW)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Plug-in Hybridautos vereinen zwei Welten: Diese Antriebsart kann einerseits mit extern geladenem Strom fahren. Wenn der Ladestand der Traktionsbatterie ein gewisses Level unterschreitet, geht es mit einem Verbrennungsmotor weiter. Das ist zumindest die Theorie. In der Realität werden PHEV (abgekürzt für Plug-in-Hybrid Electric Vehicles) keineswegs so idealisiert genutzt, wie es die Papierform suggeriert. Zwei Welten können nicht nur das Beste, sondern auch das Schlechteste kombinieren. Das ist dem Gesetzgeber in Brüssel bekannt: Ab 2025 werden die CO₂-Emissionen von PHEV strenger bewertet. Das wahrscheinliche Resultat ist, dass PHEV 2030 nur noch eine Randerscheinung sind.

Heute ist das noch anders. Beispiel BMW: Das Kompakt-SUV X1 ist mit Benzin- oder Dieselmotor, als PHEV oder als Elektroauto (abgekürzt BEV für Battery Electric Vehicle) iX1 bestellbar. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden hierzulande im Mai 2909 X1 neu zugelassen. Davon waren immerhin 440 PHEV (15 Prozent) und 1015 BEV (35 Prozent). Plug-in-Hybride sind also eine relevante Größenordnung, auch wenn die Kaufunterstützung in Deutschland seit Januar 2023 vorbei ist.

Die Nachfrage liegt auch an der nationalen Steuergesetzgebung. Die Mehrheit der neuen Pkw in Deutschland werden auf Gewerbekunden zugelassen. Für die Privatnutzung kann pauschal ein Prozent des Bruttolistenpreises versteuert werden. Die Bemessungsgrundlage hierfür reduziert sich für PHEV auf die Hälfte und für BEV bis 70.000 Euro auf ein Viertel. Die faktisch halbierte Dienstwagensteuer war und ist unabhängig von den abgeschafften direkten Kaufsubventionen ("Innovationsprämie") das wichtigste Auswahlkriterium für PHEV in Deutschland. Eine Änderung im Sinn einer Kürzung oder Streichung ist in dieser Legislaturperiode nicht geplant.

Die Europäische Union teilt diese Sichtweise nicht: Für die Autoindustrie sind PHEV attraktiv, weil sie geringe CO₂-Emissionen haben, die fast immer unter 50 Gramm pro Kilometer liegen. Das ist ein relevanter Pluspunkt bei den Flottengrenzwerten. Genau diese Anziehungskraft aber wird mit der Einführung der Abgasnorm Euro 6e und der folgenden Euro 6e-FCM drastisch nachlassen. PHEV werden viel strenger beurteilt als bisher, und das liegt am verschärften Utility Factor (UF).

Zur Ermittlung der offiziellen CO₂-Emissionen werden PHEV im Labor doppelt geprüft: Die Messfahrt verläuft einmal mit vollständig geladener Traktionsbatterie. Das bedeutet eine rein elektrisch gefahrene Messstrecke, weil die Reichweite inzwischen überall hoch genug dafür ist. Der zweite Durchlauf wird mit entladener Traktionsbatterie gemessen, also mit den Emissionen des Verbrennungsmotors. Wichtig dabei: Die Batterie ist im PHEV nie komplett leer, auch wenn die elektrische Reichweite mit "Null Kilometern" angezeigt wird. Ein Rest verbleibt. Der E-Motor kann also nach wie vor unterstützend eingreifen.

Die beiden Ergebnisse werden auf Basis einer angenommenen elektrischen Nutzung – dem Utility Factor – gewichtet. Bereits bei der ersten Verschärfung des UF mit Einführung der Abgasnorm Euro 6e- bis für neu typgeprüfte PHEV ab 1. Januar 2025 und für sämtliche neu zugelassenen PHEV ab 1. Januar 2026 sind die Anforderung deutlich erhöht. Um auf dem Papier die gleichen CO₂-Emissionen wie bisher zu erreichen, müsste die elektrische Reichweite eines PHEV ungefähr um das Zweieinhalb- bis Dreifache anwachsen. Der gerade präsentierte VW Golf e-Hybrid mit 143 km E-Reichweite im WLTP wird also annehmbar ab 2026 tendenziell schlechtere CO₂-Werte haben als der Vorgänger Golf 8 GTE mit 70 km elektrischer Reichweite.

Nach Einschätzung von Jan Dornoff vom International Council on Clean Transportation (ICCT) ergeben spätestens ab 2026 nur noch PHEV mit deutlich gesteigerter Reichweite einen Sinn für die CO₂-Flottenbilanz: "Ob dies für die Hersteller wirtschaftlicher ist als den Anteil an Elektrofahrzeugen zu erhöhen, darf bezweifelt werden. Für die Käufer ist das Elektroauto bereits kostengünstiger. Wir gehen davon aus, dass realitätsnähere Verbrauchsangaben beim PHEV diesen Trend verstärken", argumentiert Dornoff.

Plug-in-Hybride (10 Bilder)

Ladeleistung und elektrische Reichweite von Plug-in-Hybriden sind in den vergangenen Jahren zum Teil deutlich gewachsen. BMW hat diesbezüglich gerade den 3er aufgewertet .
(Bild: BMW)

Die zweite Verschärfung des Utility Factors kommt mit der Abgasnorm Euro 6e-FCM, die ab 1. Januar 2027 für neu typgeprüfte und ab 1. Januar 2028 für sämtliche neu zugelassenen PHEV gültig ist. Um die gleichen CO₂-Werte zu erreichen wie aktuell, muss die elektrische Reichweite fast vervierfacht werden. Die Zielvorgaben sind zwar bereits definiert, werden Ende dieses Jahres aber einer Revision unterworfen und müssen als vorläufig verstanden werden.

Im Bewertungsschema der Autoindustrie macht das die PHEV zunehmend uninteressant. Der Aufwand, um brauchbare CO₂-Emissionen zu erreichen, wird immer größer. Zur Erinnerung: Ab 2025 müssen die durchschnittlichen CO₂-Werte pro neu zugelassenem Pkw gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 bis 2024 um 15 Prozent gesunken sein. Untätigkeit können sich die Hersteller nicht leisten, weil das Minus 2030 bei 55 Prozent liegt; das ist nur mit einem stetig ansteigenden Anteil an Elektroautos zu schaffen.

Aus Kundenperspektive kommt hinzu, dass die Nachteile der Elektroautos im Vergleich zu Plug-in-Hybriden sukzessive kleiner werden. So war die Anhängelast von Elektroautos zu Beginn ziemlich gering. Inzwischen hat sich das geändert: Ein Tesla Model Y, das meistverkaufte Auto des Jahres 2023, zieht bis zu 1,6 Tonnen. Ein VW ID. Buzz GTX kommt auf 1,8 Tonnen, beim Kia EV9 sind es maximal 2,5 Tonnen.

Bis Ende des Jahrzehnts werden außerdem die Ladezeiten signifikant sinken. Große Batterieproduzenten wie CATL haben 4C-fähige Systeme präsentiert: Der Ladehub von zehn auf 80 Prozent dauert noch rund zehn Minuten, während die besten heutigen Fahrzeuge auf 18 Minuten kommen. Es wird etwas dauern, bis diese neuen Batteriesysteme im Masseneinsatz sind; die Verbreitung dürfte aber in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts rapide zunehmen. Gute Grundreichweiten in Kombination mit schnellen Ladezeiten machen das Elektroauto für viele Menschen praktikabel und akzeptabel. Letztlich werden es aber vor allem die Kosten sein, die PHEVs verdrängen. Während die Komponenten für Elektroautos von den Batteriezellen bis zur Leistungselektronik über Skaleneffekte immer günstiger werden, bleibt der Mehrfachaufwand der PHEV bestehen. Bei den späteren Werkstattrechnungen werden sich die Halter überlegen, ob sie nochmal zum Plug-in-Hybrid greifen.

(mfz)