Schule digital: "Ich habe ziemlich viel Angst, um ehrlich zu sein"

Seite 3: "Wir reden doch darüber, dass es schon bald fliegende Taxis gibt"

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Und was ändert sich aus eurer Sicht in dieser Zeit konkret in der Schulpolitik?

Nicht viel. Das sieht man zum Beispiel daran, dass das Schulministerium auch ganz starr am Alten festhält. Die sagen: "zurückkehren zur Normalität". Schlussendlich sollten wir aber nicht das Ziel haben, zurück zur Normalität zu kommen. Die Schule sollte wieder mehr zu diesem Zeitalter passen. Das System Schule, so wie es jetzt ist, ist mehr als hundert Jahre alt. Wenn sich alles weiterentwickelt, wieso ist das System Schule noch so veraltet? Wir reden doch darüber, dass es schon bald fliegende Taxis gibt.

Woran liegt das? Grob gefragt: Könnten Angst und Unwissenheit Gründe sein?

Ich glaube sowohl als auch. Ich sehe zum Beispiel bei unserer Schulministerin sehr viel Realitätsferne. Und ich habe den Eindruck, dass Schule in dieser kapitalistischen Gesellschaft nicht den Stellenwert hat, der oft erklärt wird.

Wir merken in der Schule nicht viel von der Beteuerung "Bildung ist wichtig". Außerdem wird viel zu wenig Wert auf selbstständiges Denken gelegt und ein freier Austausch mit Lehrkräften ist oft auch nicht möglich. Schüler:innen können beispielsweise kaum darauf hinweisen, dass eine Lehrkraft gerade etwas falsch macht – dafür ist alles zu hierarchisch. Da gibt es keinen echten Austausch. Ganz scharf gesagt: Schule ist momentan eine kapitalistische Fabrik, die das Ziel hat Schüler:innen zu willenlosen Marionetten zu erziehen. Selbstbestimmtheit wird auch nicht wirklich geschätzt, im Gegenteil. Die wenigsten Lehrer:innen fordern Schüler:innen aktiv dazu auf selbst und kritisch nachzudenken, viele Schüler:innen trauen sich auch erst gar nicht das zu machen. Aus Angst ihre Note zu riskieren.

Und wenn man sich die Zahlen anschaut, wie viel für Bildung ausgegeben wird und wie viel für einzelne Firmen, dann kann man manchen Sätzen von Politiker:innen einfach nicht glauben.

Wie viel wurde denn nach deinem Empfinden in eure Gesundheit und Sicherheit investiert, um weiterhin im Präsenzunterricht verbleiben zu können?

Es wurde ja erst immer wieder gesagt, dass Schüler:innen nicht die Infektionstreiber wären und dass wir jung sind und absolut gar nichts zu befürchten haben. Aber, bevor wir Schüler:innen sind, sind wir erst einmal Menschen. Menschen, die sich mit diesem Virus anstecken und es weitertragen können. Wir können damit Menschen anstecken, die ein größeres Risiko als wir haben. Und dieser Faktor wird einfach die ganze Zeit miskalkuliert.

Allein schon zu sagen: Es liegt eine Inzidenz über 165 vor, du gehst morgen um 8 Uhr in die Schule und bist neun Stunden da. Ihr habt ja Masken, ihr könnt euch ja testen – das ist einfach nur zynisch.

Bei euch wurden also zum Beispiel keine Luftfilteranlagen eingebaut? Hättest du dich damit sicherer gefühlt?

Das ist bei uns nicht passiert, aber ich hätte mich damit sicherer gefühlt. Wir fordern als LSVNRW deshalb auch deutlich mehr Maßnahmen. Neben den Luftfiltern auch Plexiglasscheiben, Halbierung der Klassen.

Ich sitze zum Beispiel in meinem Leistungskurs immer noch mit 30 Menschen in einem Raum, die von drei verschiedenen Schulen kommen. Ich bin an insgesamt drei Tagen in der Woche je neun Stunden in der Schule. Und wir haben erst kürzlich eine Klausur geschrieben und im anderen LK-Kurs wurde jemand positiv getestet.

Wow. Ich bin erstaunt, dass das überhaupt noch so erlaubt ist.

Ja, ich auch. Ich finde es auch erstaunlich, dass Einzelhändler geschlossen haben, während so etwas in der Schule möglich ist.

Ich bin davon ausgegangen, dass das nicht mehr möglich ist. Das schockiert mich jetzt.

Ich sitze da mit Menschen aus drei verschiedenen Schulen in einem ****** engen Raum und das einzige, das mich schützt, ist eine Maske und zwei Tests in der Woche.

Und ihr bekommt als Schülerinnen und Schüler auch keine Masken von der Schule gestellt, nicht wahr? Das müsst ihr alles selber besorgen?

Genau.