Speed kills? – Verkehr, Geschwindigkeit und Energie

Seite 2: Wucht des Aufpralls

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Wer zum Beispiel mit 50 km/h durch eine 30er-Zone rauscht, ist mit fast der dreifachen kinetischen Energie unterwegs. Viele dieser Zonen sind zwar erst 2018 nach einer Verkehrsrechtsreform flächendeckend vor Schulen, Kitas und Altenheimen angelegt worden, trotzdem sollte man das nicht als Ausrede benutzen und aus alter Gewohnheit wie früher dran vorbeibrettern. Sie prallen dann schließlich mit 2,8-facher Energie auf Hindernisse – die an dieser Stelle womöglich schutzbedürftige Menschen sind, die dann richtig schlechte Karten haben. Manche Gängelei hat womöglich Sinn.

In Großstädten wie Hannover werden auf breiten Ausfallstraßen gern schon mal 70 km/h gefahren, wo eigentlich 50 vorgeschrieben sind. Gefühlt geben das die großzügig ausgebauten Straßen sicherlich her, aber man sollte sich bewusst machen, dass man "mit nur 20 Sachen mehr" bereits mit dem doppelten Wumms unterwegs ist.

Die oben weggekürzte Masse in der Rechnung behält natürlich ihre Bedeutung, wenn es um den absoluten Wert der Aufprallenergie geht. So ist es schon ein gewaltiger Unterschied, ob 100 Kilogramm Radfahrer samt Radl gegen eine Mauer fahren oder ein 2,5 Tonnen schweres SUV. Im ersten Fall leidet eher der Radfahrer, im zweiten eher die Mauer. Es lässt sich auch ausrechnen, dass ein 2,5-t-SUV mit 250 km/h etwa die Einschlagskraft eines 25 Tonnen schweren LKW mit 80 km/h entwickelt.

Man versteht nach einem Blick auf die Tabelle vielleicht auch besser, warum baumbestandene Straßen auf 70 km/h beschränkt werden – mit den auf Landstraßen sonst üblichen 100 km/h schädigt man Auto-Insassen und Bäume bereits mit der doppelten Energie. 23 Prozent der Verkehrstoten in Niedersachsen gingen 2018 übrigens immer noch auf Unfälle mit Bäumen zurück.

Tatsächlich sind die Energieunterschiede in höheren Tempobereichen weniger dramatisch. Wer 140 km/h statt 130 fährt, erhöht seine kinetische Energie gerade mal um 16 Prozent, wer 150 wagt, liegt bei 33 Prozent mehr. Hier verdoppelt und verdreifacht sich nichts dramatisch.

So gut man das Strafkonzept bei Tempo-Überschreitung im städtischen Bereich also begründen kann, auf der Autobahn (sofern man mal gerade nicht auf einer Baustelle mit 60 km/h unterwegs ist) sind die absoluten Grenzwerte als Strafmaß für Überschreitungen nicht wirklich logisch. Eine prozentuale Staffelung oberhalb 100 km/h würde einer physikalisch begründeten Bemessungsgrundlage sicherlich eher gerecht – könnte man meinen.

Das sieht indes ganz anders aus, wenn man Bremswege und Reaktionszeiten zum Beispiel für den scheinbar geringen Unterschied von 130 zu 150 km/h betrachtet, denn der Anhalteweg verlängert sich enorm. Bei konstanter Reaktionszeit des Fahrers von zum Beispiel 1 Sekunde ergibt sich zunächst ein proportional zur Geschwindigkeit ansteigender Reaktionsweg (bei 130/150 km/h sind das 5,7 Meter mehr).

(Die im Folgenden benutzten Formeln sind etwas genauer als die üblichen Faustformeln, also nicht über kleine Unterschiede wundern. Mit den Formeln für den Senkrechten Fall respektive Wurf kommt man recht genau an die Ergebnisse heran).

Der Bremsweg erhöht sich unter idealen Bedingungen, also bei trockenem, griffigem Asphalt, mindestens quadratisch. Legt man eine (sehr gute) Bremsverzögerung von 10 m/s2 zugrunde, dann ergeben sich für das Beispiel (150 km/h statt 130 km/h) Bremswege von 87 m zu 65 m, also 22 m Differenz. Schlägt man noch die knapp 6 m durch die Reaktionszeit auf, dann landet man bei einem fast 28 Meter längeren Anhalteweg.

Klingt erst mal nicht wirklich bedrohlich, aber: Wenn der Fahrer aus 130 km/h bereits steht, dann ist der andere Fahrer noch mit fast 85 km/h unterwegs. Den möchte man dann aber lieber vor als hinter sich haben. Jeremy hat schon recht: Das abrupte Stoppen, das ist das Problem!

(fpi)