Strengere Regeln für neue Fahrzeugtypzulassungen gelten

Seit heute gelten strengere Regeln für die Homologierung von neuen Fahrzeugmodellen. Sie sollen Betrug verhindern, doch es bleibt eine gewisse Skepsis.

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Strengere Regeln für neue Fahrzeugtypzulassungen

RDE-Test mit mobilem Messgerät

(Bild: Mercedes)

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Die strengeren EU-Vorgaben zur sogenannten Typgenehmigung gelten seit Dienstag (1. September 2020). Neue Modelle sollen demnach vor der Zulassung für den europäischen Markt strikter überprüft werden. Erstmals soll es in diesem Zusammenhang später Stichproben geben, ob zum Verkauf angebotene Autos die Vorschriften tatsächlich einhalten. Bei Verstößen kann die EU-Kommission Rückrufe starten und im Extremfall Strafen von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug verhängen.

Die EU-Kommission ist sich sicher, dass ein Betrug mit Abgaswerten künftig unterbunden werden kann. So soll auch die Unabhängigkeit der Stellen gestärkt werden, die die neuen Fahrzeugtypen inspizieren, bevor sie auf den Markt kommen. Die Brüsseler Behörde bekommt zudem neue Rechte, Fahrzeuge selbst zu prüfen und die EU-Staaten bei Verstößen zu Strafen zu drängen.

Die Änderungen sind eine Konsequenz aus dem Abgasbetrug, der vor fünf Jahren aufgedeckt wurde. Im September 2015 war bekannt geworden, dass Volkswagen in Diesel-Modellen Abgastests manipuliert hatte. In der Folge hielten Autos nur auf dem Prüfstand Stickoxid-Grenzwerte ein, nicht aber im Straßenverkehr. Volkswagen war nur der Erste, der erwischt wurde, danach fiel bei vielen Modellen auf, das NOx-Werte auf der Straße sehr viel höher waren als im Labor.

Seit 2015 wurde in der Überwachung von Abgaswerten eine Menge verändert. Für alle Fahrzeugtypen, die seit dem 1. September 2017 homologiert wurden, galt zunächst die Abgasnorm Euro 6d-Temp. Mit dieser Norm wurde der RDE (Real Driving Emission) Pflicht, ein Fahrtest auf der Straße mit mobilem Messgerät also. Betrug ist damit nicht unmöglich geworden, wurde aber doch erheblich erschwert.

Seit 2017 dürfen NOx-Werte bei Labor- und Straßentests nur noch begrenzt voneinander abweichen. Zunächst wurde eine Abweichung um den Faktor 2,1 toleriert, seit 2020 gilt ein sogenannter Konformitätsfaktor von 1,43 für die Typenzulassung neuer Modelle, sodass die Prüfstandsgrenzwerte im RDE noch immer überschritten werden dürfen. Ab Januar 2021 gilt das für alle erstmals in der EU zugelassenen Autos. 2019 wurde zudem der neue Verbrauchs-Messzyklus WLTP an einigen Stellen präzisiert, mit durchaus weitreichenden Folgen.

Kritik an den neuen Vorgaben kommt von den Grünen. Oliver Krischer, Bundestags-Fraktionsvize der Grünen, bemängelt, dass sich die Hersteller noch immer selbst aussuchen können, in welchem EU-Land sie ein Fahrzeug homologieren lassen. Zum Beispiel dort, wo Behörden "besonders schlafmützig" seien, meinte Krischer. Die eigentlichen Prüfer seien jedoch technische Dienste wie der TÜV, die bei illegalen Abschaltvorrichtungen in der Vergangenheit weggeschaut hätten. "Diese missbrauchsanfällige Regelung wird weitergeführt", kritisierte Krischer.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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Diese Kritik übersieht allerdings, dass ein Prozedere, das die illegale Nutzung einer Prüfstandserkennung hätte aufdecken können, im gesetzlichen Rahmen einer Homologierung zum damaligen Zeitpunkt gar nicht vorgesehen war. Für die Zulassung eines neuen Autotyps reichte es, die Abgaswerte auf dem Prüfstand einzuhalten – was Volkswagen mit seinem Betrug sicherstellte. Die Strategie des Konzerns flog auf, als sich die im Labor ermittelten Werte unter keinen Umständen auf der Straße nachvollziehen ließen.

(mfz)