Verbraucherschützer fordern Ausbau des ÖPNV auf dem Land

Der ländliche Raum wird beim öffentlichen Nahverkehr abgehängt. Verbraucherschützer fordern ein Umsteuern und haben auch eine Idee, wie das zu finanzieren ist.

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Bus

Eine zentrale Rolle bei der Verdichtung des öffentlichen Nahverkehrs fällt dem Bus zu.

(Bild: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben)

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Die Verbraucherzentralen fordern mehr flexiblere Verkehrsangebote auch auf dem Land als attraktive Alternative zum Auto. Der Chef des Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, sagte der dpa: "Wenn wir über eine klimagerechte Mobilität reden, dann muss sich der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) wandeln." Kommunen und Landkreise müssten ein Mindestangebot an Leistungen sicherstellen, das insbesondere im ländlichen Raum deutlich über dem liegen müsse, was man heute vielerorts finde.

"Dafür braucht man aber zusätzlich bedarfsorientierte, digitale Angebote", sagte Müller. "Das heißt, ich bestelle mir, wenn ich es brauche, ein größeres Sammeltaxi, das mich abholt und dorthin bringt, wo ich hin möchte." Dies gelte auch abends, am Wochenende oder in den Schulferien, wenn besonders auf dem Land praktisch kein Nahverkehr mehr unterwegs sei. Dies sei auch ein Teil des ÖPNV und werde vom Bund steuerlich mit zu finanzieren sein. "Es kann auch eine Möglichkeit sein, eine CO2-Bepreisung bei Benzin oder Diesel an die Menschen zurückzugeben, weil man direkt davon profitiert."

Für neue, meist digital buchbare Fahrdienste gilt seit Anfang August ein neuer Rechtsrahmen. Ein Gesetz von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ermöglicht reguläre Angebote etwa mit Kleinbussen oder Vans, bei denen sich mehrere Kunden einen Wagen teilen. Bisher waren sie mit Ausnahmeregeln unterwegs. Zugleich sollen klassische Taxis und das öffentlich mitfinanzierte Angebot mit Bus und Bahn geschützt werden. Für Fahrdienst-Vermittler wie Uber sind dafür Vorgaben vorgesehen, die Kommunen festlegen können.

In den Wahlprogrammen der Parteien finden sich teils weitreichende Pläne. So nennt die SPD mit Perspektive bis 2030 als Ziel eine "Mobilitätsgarantie": Alle in Stadt und Land sollen demnach einen "wohnortnahen Anschluss an den öffentlichen Verkehr" haben. Dafür sollen vernetzte Mobilitätsangebote über digitale Plattformen nutzbar werden. In Züge und Busse soll investiert werden, alte Bahnstrecken sollen reaktiviert werden. Neben engeren Takten und flächendeckendem WLAN sollen Sitzplatzreservierungen, wie im ICE, möglich werden.

Die Union formuliert als Ziel, "überall ein bedarfsgerechtes Grundangebot im öffentlichen Verkehr sicherzustellen, auch auf dem Land". Dazu soll ein "flächendeckender Mindeststandard" geschaffen werden. Attraktive Konzepte sollen motorisierten Individualverkehr und ÖPNV verzahnen, etwa, indem solargetriebene Ladepunkte für Pkw, E-Roller und E-Bikes in "Park-&-Ride"-Angebote integriert werden.

Die Grünen wollen laut Programm die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln. Dazu soll der Bund mit den Ländern eine "Ausbauoffensive" starten, eine "Mobilitätsgarantie" soll flächendeckende Anbindungen schaffen. Ein "Mobilpass" soll Angebote von bundesweit 120 Verkehrs- und Tarifverbünden verknüpfen und neue Sammel-Fahrdienste so integrieren, dass Sozial- und Umweltdumping ausgeschlossen seien.

Die FDP will "faire Wettbewerbsbedingungen für alle Mobilitätsdienstleister" schaffen. "Die besondere Rolle des ÖPNV haben wir dabei beständig im Blick", heißt es im Programm. Die "Rückkehrpflicht" für neue Fahrdienste und der Mindestabstand von 50 Kilometern zwischen zwei Fernbus-Haltestellen sollen wegfallen.

Die Linke schreibt im Programm: "Niemand soll auf das (eigene) Auto angewiesen sein." Ziel sei ein "solidarisch finanzierter Nulltarif im ÖPNV für alle". Erste Schritte seien günstigere Fahrpreise. Neue Mobilitätsangebote solle es nur in öffentlicher Hoheit als Teil des Nahverkehrs geben. Gefordert wird eine "Mobilitätsgarantie" für den ländlichen Raum: Anbindung der Orte untereinander und zum nächsten städtischen Zentrum mindestens im Stundentakt von 6 bis 22 Uhr.

Die AfD wendet sich gegen "ideologisch geleitete Verbotspolitik", die Verkehrsmittel bevorzuge oder diskriminiere. Für die Bahn müsse ein besser ausgebautes und abgestimmtes Nah- und Fernzugnetz her. Wichtig seien Pünktlichkeit, Sicherheit, Sauberkeit und "optimale Taktung" von Bussen und Bahnen sowie eine Vernetzung mit dem Flugverkehr.

Verbraucherschützer Müller verweist auch auf den grundlegenden Wandel. "Alle Parteien, die für mehr Klimaschutz sind, sprechen sich für eine höhere CO2-Bepreisung aus. Aber es bedeutet, dass Autofahren mit Verbrennungsmotoren teurer wird." Darum sei es so wichtig, sich Gedanken zu machen, wie der ÖPNV attraktiver werden könne. Zugleich betonte der vzbv-Chef: "Wir werden eine individuelle Mobilität mit Autos noch lange brauchen und haben. Ich warne davor, beim ÖPNV an den Bedürfnissen der Menschen vorbeizuplanen, weil viele erst dann umsteigen werden, wenn sie eine gute Alternative haben."

(mfz)