Wie die Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit bringen kann

Seite 4: 1.100 Recycling-Unternehmen 50.000 Kunststoffverarbeitern gegenüber

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Unabhängig von der Roadmap ist bereits eine Norm in Kraft getreten, welche die Kreislaufwirtschaft in Schwung bringen soll: die DIN SPEC 91446. Sie schafft einen Standard für die Datenqualität von Kunststoff – also darüber, wie detailliert seine Eigenschaften beschrieben werden. Bei vielen Chargen gibt es bisher nicht einmal eine Angabe darüber, welchen Anteil an recyceltem Material sie enthalten.

Initiiert und vorangetrieben hat diesen Standard Christian Schiller, CEO des Start-ups Cirplus. In der Branche wird er nun dafür gefeiert. Cirplus betreibt eine Plattform für Recycling-Kunststoff, die Anbieter und Produzenten zueinander bringt. "Bisher waren das völlig fragmentierte Märkte, die miteinander nichts zu tun hatten", sagt Schiller – und die häufig noch per Fax miteinander kommunizierten.

"Der Flaschenhals", so Schiller, "sind dabei die Recycling-Firmen." 1.000 Recycling-Unternehmen stehen in Europa rund 50 000 Kunststoffverarbeitern gegenüber. Das bedeutet: Wenn ein großer Konsumgüterproduzent alle seine Shampoo-Flaschen aus wiederverwertetem Material herstellen will, wird er keinen Anbieter finden, der ihm die komplette Charge aus einer Hand bieten kann. Doch einfach mehrere Chargen bündeln kann er auch nicht, solange er nicht genau weiß, was darin steckt. "Dafür braucht man Standards", sagt Schiller. "Sonst können Sie nichts skalieren."

Rund 1.300 Nutzer sind derzeit bei Cirplus angemeldet, das Handelsvolumen beträgt 500.000 Tonnen – und die Nachfrage nach hochwertigem Rezyklat nimmt zu. Der steigende Ölpreis macht Neuware teurer, und die politischen Vorgaben für höhere Recyclingquoten beginnen zu greifen.

Ein funktionierender Markt könnte auch das Angebot an hochwertigem Rezyklat erhöhen. "Die Sortierbetriebe können grundsätzlich extrem fein sortieren", sagt Schiller. "Das lohnt sich aber nur, wenn sie dafür Abnehmer finden. Das wollen wir mit unserer Plattform erreichen."

Doch die mechanische Sortierung hat Grenzen. Die Basis-Kunststoffe erkennen Sortiermaschinen zwar recht zuverlässig. Allerdings läuft das, was wir von Kunststoffen inzwischen erwarten, diametral den Anforderungen an ein Kreislaufsystem entgegen. Jede Verpackung hat beispielsweise ihre eigenen Additive. Sie sorgen etwa dafür, dass Käse-Folien sich leicht trennen lassen, oder beeinflussen Elastizität, Transparenz und Glanz.

In die Verpackung eingearbeitete digitale Produktpässe können hier helfen, indem sie automatisch Sortieranlagen ansteuern. Dass solche unsichtbaren Wasserzeichen selbst für normale Wurstfolie günstig genug sein können, das will die Initiative Holy Grail 2.0 zeigen. Dahinter steckt unter anderem der europäische Markenverband, in dem sich das Who’s who der Anbieter von Abinbev bis Unilever zusammengeschlossen haben. Das Verfahren wird derzeit in einer halbindustriellen Testanlage in Kopenhagen erprobt.