Wie die Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit bringen kann

Seite 7: Es bleibt Restmüll

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Diese Regularien gelten auch für die Berliner Stadtreinigung. Sie darf sich nicht einfach bei den eigenen Recyclingcontainern bedienen, um die NochMall mit Nachschub zu versorgen, sondern musste eigene Abgabestellen einrichten. Doch obwohl derzeit nur an 3 der 14 BSR-Recyclinghöfen (und bei der NochMall selbst) ausgediente Dinge abgegeben werden können, fließen die Spenden reichlich. Schon bei einem fünfwöchigen Pilotversuch 2018 mit einer einzigen Abgabestelle "haben wir riesige Mengen bekommen", erinnert sich Frieder Söling. "Was uns auch überrascht hat: Etwa 90 Prozent waren wiederverwendbar." Besonders gut laufen Haushaltswaren, Möbel, Bücher, Textilien und – warum auch immer – Golfschläger.

Die größten Kostenfaktoren im Second-Hand-Geschäft sind vor allem zwei Dinge, zählt Söling auf: "Fläche und Personal". Mit der BSR im Hintergrund ist die NochMall immerhin in der Lage, eine mehr als 2.000 Quadratmeter große Halle sowie ein weiteres Lager anzumieten und ihre rund 20 Beschäftigten nach Einzelhandelstarif zu bezahlen. Sie sichten, sortieren und bepreisen die Ware. Die Sicherheit der elektronischen Geräte überprüft ein externer Sozialbetrieb. Aber für eine Reinigung der Textilien oder eine Reparatur der Fahrräder wären die Personalkosten im Verhältnis zum möglichen Verkaufspreis zu hoch.

Das Beispiel zeigt: Zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft gehört auch ein Umbau des Steuersystems. Rohstoffe sind oft so billig und menschliche Arbeitskraft so teuer, dass sich eine aufwendige Aufbereitung kaum lohnt. Die CEID fordert deshalb, "Unternehmen stärker relativ zur Höhe ihrer Ressourcenverbräuche und Umwelteffekte zu belasten und gleichzeitig den Faktor Arbeit, der für die arbeitsintensiven Prozesse in der Circular Economy vermehrt benötigt wird, steuerlich zu entlasten".

Als Königsweg dorthin sieht Vincent Ackenhausen, Experte bei der Unternehmensberatung PWC, die "Internalisierung externer Kosten". Soll heißen: Alle Folgeschäden, die ein Produkt etwa für die Umwelt oder die Menschen verursacht, sollen auf dessen Preis umgelegt werden, statt sie von der Gesellschaft begleichen zu lassen. "Das würde Unternehmen belohnen, die bereits heute nachhaltig wirtschaften", sagt Ackenhausen. "Viele Unternehmen wollen zirkuläre Geschäftsmodelle umsetzen, finden sich aber in einem Markt wieder, der dies nicht incentiviert."

Dies ist auch der Gedanke hinter der CO2-Bepreisung. Doch Probleme wie zerstörte Landschaften, Kinderarbeit, Verlust an Biodiversität oder Mikroplastik in den Meeren lassen sich nicht auf CO2-Äquivalente umrechnen – oder mit einem Preisschild versehen. Wie also sollen diese gesellschaftlichen Kosten "internalisiert" werden?

"Das ist nicht nur ein politisches Thema, sondern wird auch schon von den Unternehmen vorangetrieben", meint Ackenhausen. "Es gibt dabei einen natürlichen Anreiz: Statt Abfall sollte man lieber von 'verloren gegangenem Wert' sprechen. Und je tiefer man in die eigene Wertschöpfungskette herabsteigt, desto mehr Möglichkeiten werden sich finden, Wert im eigenen Kreislauf zu halten."