Wie die Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit bringen kann

Seite 6: Industriegefüge stoppt Innovationen

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Ein Beispiel sind die zigtausend Erdbeer-Kernchen, die bei der Marmeladenherstellung anfallen. "Sie werden in den Ländern, in denen sie verarbeitet werden, oft in den Gully gekippt", sagt Grieder. Dabei seien sie unter anderem als mikroplastikfreie Peeling-Granulate in der Kosmetikindustrie gefragt. "Allerdings sind solche Nebenströme finanziell oft nicht wertvoll genug, um sie über weite Strecken zu transportieren. Wir errechnen aus den Lebenszykluskosten im Vergleich zu einem herkömmlichen Produkt, wie weit sich der Transport lohnt."

Lukrativer wird die Sache, wenn die Reststoffe lokal genutzt oder vorverarbeitet werden. Allerdings müssen dazu oft die Lieferungen mehrerer Anbieter gebündelt und weitere Partner ins Boot geholt werden. "So entstehen oft multilaterale Projekte mit vielen Parteien. Das bringt für viele oft auch ganz neue Arbeitsweisen mit sich", sagt Grieder – etwa Spritzgusstechnik aus der Autoindustrie zur Aufbereitung von Resten aus der Sojamilchherstellung. "Wir bringen die Parteien an einen Tisch und sind als Übersetzer tätig", sagt Grieder.

Ein Trommelsieb trennt in einer Sortieranlage Verpackungen nach ihrer Größe.

(Bild: Veolia Deutschland GmbH, Ahrens+Steinbach Projekte)

Gerade im Biotech-Bereich ist die zirkuläre Wirtschaft geprägt von kleinen Initiativen und Start-ups. Da werden Orangenschalen und Kaffeereste gesammelt, um daraus Tierfutter, ätherische Öle, Pilzsubstrate oder Tassen herzustellen. In das große Industriegefüge der linearen Wirtschaft kommen diese kleinen Initiativen nicht hinein. "Aber die Innovationen aus diesen Initiativen sind das, was wir brauchen", sagt Susanne Kadner von der CEID. "Und vielleicht werden diese Innovationen von großen Unternehmen eingekauft. Richtig in Schwung kommt das Ganze nur, wenn da eine Art Ökosystem aus Kooperationspartnern entsteht."

Es solches Ökosystem will die deutsche Autobranche mit Catena-X aufbauen. Die namentliche Ähnlichkeit mit der europäischen Cloud-Initiative Gaia-X ist kein Zufall. "Weil es den Automobilherstellern dabei nicht schnell genug ging, haben sie schon einmal vorgelegt", schreibt die Wirtschaftswoche. Über Catena-X teilen Hersteller und Zulieferer die Daten ihrer Lieferkette, vom Rohstoff bis zum fertigen Auto. So könnten Verwerter beispielsweise sehen, wie viele Akkus benötigt werden, und sich für Recycling oder Wiederaufbereitung entscheiden.

Neben der damit einhergehenden Komplexität stehen auch rechtliche Aspekte einer Wiederverwendung oft im Weg. "Sobald in der Lebensmittelindustrie etwas als Abfall deklariert wird, muss es auf bestimmte Art und Weise entsorgt werden. Einmal Abfall, immer Abfall. Es wäre viel einfacher, wenn es ein Rohstoff bleiben würde", sagt Linda Grieder von RethinkResource.