Wie die Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit bringen kann

Seite 5: Der Heilige Gral des Recycling

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Das Berliner Start-up circular.fashion hat einen Produktpass für Textilien entwickelt. Die circularity.ID kann aus einem QR-Code, einem NFC- oder RFID-Funkchip bestehen. Nach Angaben des Start-ups sind inzwischen Tausende Produkte mit so einer ID ausgestattet, beispielsweise Otto, Zalando, Armedangels, Besonnen, Vretena, Silfir und The Slow Label.

Aussortierte Kleidungsstücke türmen sich in der Atacama-Wüste in Chile zu ganzen Bergen auf.

(Bild: picture alliance/dpa)

Kunden können über diese ID mit ihrem Smartphone etwa Pflegehinweise oder Rückgabemöglichkeiten abrufen. Bei diversen Textilsammlern in ganz Deutschland wurden bereits intelligente Sortier-Stationen installiert, welche die Chips auslesen können. Zudem erforscht circular.fashion gemeinsam mit TU und FU Berlin, wie sich Altkleider auch ohne Chips automatisch sortieren lassen – und zwar mithilfe von KI, Spektroskopie und Bildanalyse.

Doch trotz ausgeklügelter Sortierung werden wohl auch in Zukunft immer wieder "Sortierreste" übrig bleiben – etwa weil unterschiedliche Kunststoffe untrennbar miteinander verklebt oder vernetzt sind. Derzeit werden sie verbrannt. "Wenn man sie stofflich nutzen möchte, gibt es zurzeit keinen anderen Weg als das chemische Recycling", sagt Hartmut Pflaum, Leiter der Geschäftsstelle des Fraunhofer-Cluster Circular Plastics Economy.

Chemisches Recycling – also das Herunterbrechen der Kunststoffe auf ihre einzelnen Bausteine – ist eine typische End-of-Pipe-Lösung am Ende der Prozesskette. Und sie ist je nach Variante sehr chemikalien- und energieaufwendig. Dafür lassen sich recycelte Kohlenstoff-Moleküle einfacher wieder in eine Wertschöpfungskette einspeisen als Kunststoffgranulat aus dem konventionellen Recycling.

"Wir sehen im Moment Investitionen im dreistelligen Millionenbereich – keine kleinen Laboranlagen, sondern echte Pilotanlagen", sagt Jörg Rothermel, Abteilungsleiter Energie, Klimaschutz und Rohstoffe beim Verband der Chemischen Industrie. Die meisten solcher Technologien werden allerdings erst Ende dieses Jahrzehnts großtechnisch einsetzbar sein, erwartet er, denn beim Schritt vom Pilot- auf den Industriemaßstab lauern noch viele technische Hürden.

Das Kernproblem: Bei der thermischen Zersetzung der Kunststoffe entsteht eine Mischung unterschiedlicher Kohlenwasserstoffe. Daraus ließe sich zwar ein homogenes, weiterverarbeitbares Öl herstellen, aber das scheitere noch "an verfügbaren Mengen und der Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur Neuware", sagt Fraunhofer-Forscher Pflaum.

Vor allem für Lebensmittelreste hat das Züricher Start-up RethinkResource eine Plattform namens Circado entwickelt. "Sie soll den Markt für Nebenströme transparenter machen", sagt CEO Linda Grieder. Derzeit verhandelt das Start-up mit Partnern für die Plattform. Als Kerngeschäft berät es Unternehmen, wie sich mit Materialien, die sonst teuer entsorgt werden müssten, noch etwas anfangen lässt.