Wien: Parken wird erneut teurer, ÖPNV höher bezuschusst

Wien hält seit vielen Jahren in der Verkehrspolitik einen strikten Kurs: Parken ist teuer, der ÖPNV günstig. Das wird nun ausgedehnt.

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Der Nahverkehr in Wien ist bestens vernetzt und dicht getaktet.

(Bild: Manfred Helmer / Wiener Linien)

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Österreichs Hauptstadt gilt als eine der lebenswertesten Städte weltweit. Was auch immer man als Kriterien dafür heranziehen mag: Die Verkehrspolitik hat an dieser Wahrnehmung sicher einen gewissen Anteil. Parken ist in Wien vergleichsweise teuer, der ÖPNV dafür günstig und mit einem sehr dichten und eng getakteten Netz versehen. Das klappt, weil sich Politiker dazu durchgerungen haben, diesen Teil der Verkehrswende mit einem ordentlichen Budget auszustatten. Nun wird das kostenpflichtige Parken nochmals ausgeweitet, um die Menschen vom Umstieg in den öffentlichen Nahverkehr zu überzeugen.

Vor mehr als 20 Jahren hat Wien das sogenannte Parkpickerl eingeführt, das für eine Gebühr von mindestens 120 Euro im Jahr nur Anwohnern das längerfristige oder vielstündige Parken erlaubt. Es wurde im Lauf der Zeit auf immer mehr Stadtteile ausgedehnt. Ab dem 1. März 2022 folgen die letzten fünf der insgesamt 23 Wiener Bezirke. Von Montag bis Freitag zwischen 9 und 22 Uhr müssen Autos in kostenpflichtigen Kurzparkzonen, Parkhäuser oder Park&Ride-Parkplätzen am Stadtrand abgestellt werden. Ausnahmen von der neuen Regel gibt es kaum.

Das stößt auch in Wien nicht etwa überall auf Begeisterung, doch die Politiker von SPÖ und Liberalen sind offenbar bereit, sich diesen Widerständen zu stellen. Begründet wird die Ausweitung der Parkpickerl unter anderem mit dem Klimaschutz. Täglich pendeln derzeit rund 200.000 Menschen mit dem Auto in und um Wien. Ziel der Stadt ist es, bis 2030 diese Zahl zu halbieren. Die Maßnahme der Zwei-Millionen-Metropole trifft auch Touristen oder Besucher von Angehörigen. "Wenn Eltern einer deutschen Studentin unter der Woche mit dem Auto kommen, bleibt ihnen nur das Parkhaus", sagt ein Sprecher des Verkehrsressorts der Stadt.

Auch in Wien gehen die Preise für das Parken erheblich auseinander. Wer als Urlauber sein Auto eine Woche abstellen will, sollte sich vorab informieren. Denn zwischen knapp 20 Euro etwas außerhalb und mehr als 300 Euro im ersten Bezirk ist alles möglich. "Pkw, die im Schnitt 23 Stunden pro Tag gar nicht bewegt werden, dauerhaft im öffentlichen Raum abzustellen, ist eine der ineffizientesten und stadtunverträglichsten Formen, den ruhenden Verkehr zu organisieren", argumentiert Harald Frey, Verkehrswissenschaftler der Universität Wien.

Wien investiert die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung in den Ausbau des ÖPNV - wie hier für eine Station der Linie U2 Reinprechtsdorferstraße/Bacherplatz.

(Bild: Johannes Zinner / Wiener Linien)

Dieser Betrachtung schließen sich nicht alle Menschen an. Für bestimmte Berufsgruppen und ihre Arbeitgeber drohen erhebliche Konsequenzen. "Wir haben schon einige Mitarbeiterinnen, die wegen der Ausweitung des Parkpickerls gekündigt haben", sagte der Geschäftsführer eines Betreibers von 93 Kindergärten der Zeitung Die Presse. Die Fachkräfte aus dem Umland wollten die zusätzlichen Kosten nicht tragen und dann lieber heimatnah arbeiten. Die Übernahme der gestiegenen Aufwendung für das Pendeln dürfte in Jobverhandlungen eine größere Rolle einnehmen als bisher schon.

Wer, wie zum Beispiel Fahrer von Krankentransporten, das Dienstauto bisher vor der eigenen Haustür abgestellt habe, müsse es nun zum Firmengelände fahren und es so zusätzliche Kilometer bewegen. Wirte, deren Kneipen schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind, bangen um Gäste. Zumal die Besucherparkplätze jetzt auch von Mitarbeitern genutzt werden müssten, heißt es. Auch die Opposition in Wien kritisiert die Ausweitung des Parkpickerls und fordert Ausnahmen. "Es ist unumgänglich, für die ältere Bevölkerung und einzelne Berufsgruppen flexible Lösungen anzubieten", fordert die konservative ÖVP im Rathaus. Es gehe etwa um Angehörige, die ein pflegebedürftiges Familienmitglied betreuten. Mit dem jetzigen Modell werde die Mobilität gerade von betreuungsintensiven Gruppen eingeschränkt.

All diese Mahnungen hält die Stadt für unbegründet. Schon bisher habe sich gezeigt, dass diese Ängste übertrieben gewesen seien. Die Verantwortlichen setzen darauf, dass langfristig ein noch besser ausgebauter Nahverkehr die Pendler überzeugt. Wien ist in dieser Hinsicht bereits herausragend aufgestellt: Züge und Busse sind eng vernetzt und fahren dicht getaktet. Das Jahresticket kostet 365 Euro, und auch Tages- oder Wochentickets sind im Vergleich zu vielen deutschen Großstädten spottbillig. Das funktioniert, weil der Stadt diese Verkehrspolitik jedes Jahr einen beträchtlichen Betrag wert ist, zu dem die Parkraumbewirtschaftung künftig bis zu 170 Millionen Euro beisteuert.

Hierzulande findet die Idee, Parken in der Stadt massiv zu verteuern, ihre Anhänger. Der Deutsche Städtetag sieht die Wiener Initiative als Beispiel für den konsequenten Weg einer Kommune. "Wir müssen genau schauen, wie wir die öffentlichen Flächen in unseren Städten nutzen – als einladenden Raum zum Leben, Laufen und Fahrradfahren, nicht nur als Fahrbahn für Autos oder Parkplatz", sagt dessen Hauptgeschäftsführer, Helmut Dedy. In Deutschland müssten die Länder jetzt den Städten die Entscheidung über die Gebühren für das Bewohnerparken übertragen, fordert der Städtetag.

Das langfristig angelegte Verkehrskonzept in Wien hat allerdings mehr Facetten als die Vorstellung, mithilfe von exorbitanten Parkgebühren aus Großstädten letztlich Fußgängerzonen machen zu wollen. Es verteuert eben nicht nur das Parken in der Stadt, sondern investiert die zusätzlichen Einnahmen in den ÖPNV, der damit so ertüchtigt wird, dass er für viele Menschen ganz selbstverständlich Transportmittel Nummer 1 in der Stadt ist.

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