Yamaha R9: Sportliche Verbindung von Bewährtem mit Neuem
Die Yamaha R9 setzt auf Drehmoment aus dem bewährten Dreizylinder, neu sind Rahmen, Schwinge, Gabel und Bodywork. Die 900er soll in der Supersport-WM antreten.
- Ingo Gach
Was lange währt, wird endlich gut, sagt der Volksmund. Wir wissen nicht, ob das Sprichwort auch in Japan bekannt ist, doch Yamaha hat sich offenbar daran gehalten. Ihr Dreizylindermotor CP3 ist seit elf Jahren bewährt und beliebt, beflügelte jedoch bislang nur Tourer, Naked- und Retro-Bikes. Lange hielten sich Gerüchte über die Entwicklung eines echten Sportlers mit diesem Antrieb, jetzt endlich wagt sich Yamaha mit der R9 auf den Markt. Der Schritt war überfällig, denn Mittelklasse-Sportmotorräder liegen voll im Trend.
Integrierte Winglets
Die R9 glänzt mit einer ansprechenden Optik, sie wirkt modern und fügt sich nahtlos in die R-Modellreihe ein. Die Verkleidung läuft vorne spitz zu, zwei sehr schmale Tagfahrlichter und ein mittiger Ellipsoid-Scheinwerfer prägen die Front. Yamaha hat viel Entwicklungszeit im Windkanal verbracht und verkündet mit 0,55 stolz den besten cW-Wert in der Supersportklasse.
Yamaha R9 (6 Bilder)
Yamaha
)Den nötigen Abtrieb erzeugen die in die Verkleidung integrierten Winglets, auf der Geraden soll es sieben Prozent, in Kurven sogar zehn Prozent mehr Anpressdruck sein. Das Heck zeichnet sich durch minimale Abmessungen aus und der 14-Liter-Tank lässt großzügige Aussparungen für die Knie frei.
Neuer Aluminiumrahmen
Um dem sportlichen Anspruch gerecht zu werden, übernimmt Yamaha nicht den Rahmen der MT-09, wie sie es beim Retro-Racer XSR 900 GP noch taten. Der Aluminiumrahmen der R9 ist komplett neu entwickelt und Yamaha gibt an, mit 9,7 kg ihren bislang leichtesten Deltabox-Rahmen gebaut zu haben. Auch die Schwinge aus Aluminium wurde neu geformt.
Retro auf MT-9-Basis
Yamaha XSR 900 GP im Test: Nostalgische Zukunft
Mit den neuen Komponenten ändern sich die Geometrie-Daten deutlich in Richtung Handlichkeit: Der Radstand schrumpft auf 1425 mm (80 mm weniger als bei der XSR 900 GP), der Nachlauf auf 94 mm und der Lenkkopfwinkel beträgt steile 67,6 Grad. Das zeigt, dass es Yamaha bei der R9 vor allem um Agilität geht.
Es bleibt bei 119 PS
Das macht sich auch in der etwas weniger radikalen Sitzposition bemerkbar, als sie die kleinere R6 Race bietet, wobei die R9 sicher nicht als bequem bezeichnet werden kann. Die Lenkerstummel an der R9 sind höher positioniert und die Sitzhöhe mit 830 mm um 20 mm niedriger. Der 890 cm3 große CP3-Motor leistet unverändert 119 PS bei 10.000/min und 93 Nm bei 7000/min, genauso viel wie er auch im Naked-Bike MT-09 hat.
Zum Vergleich: Der Reihenvierzylinder des Superbikes R1 (ab nächstem Jahr nur noch als R1 Race ohne Straßenzulassung) verfügt über nur 109 cm3 mehr Hubraum, aber generiert 200 PS bei 13.500/min. Ein Hinweis darauf, dass die R9 für die Landstraße und den Hobby-Rennstreckeneinsatz ausgelegt ist, wo es um Fahrbarkeit und weniger um viel Spitzenleistung bei sehr hohen Drehzahlen geht.
Einsatz in der Supersport-WM
Umso überraschender Yamahas Ankündigung, ab 2025 mit der R9 und nicht mehr mit der R6 in der Supersport-WM anzutreten. Dank des neuen Reglements der "Next Generation Supersport" sind auch größere Hubräume zugelassen. Der Gedanke dahinter ist, dass die Supersportklasse kostengünstiger werden muss. Ein frei erhältliches Racing-Kit für die R9 soll angeblich schon in Arbeit sein, vermutlich mit höherer Verdichtung, anderen Nockenprofilen, Racing-Auspuffanlage und neu programmiertem Steuergerät. In der WM muss die R9 gegen die ebenfalls dreizylindrige Triumph Street Triple 765 mit serienmäßigen 130 PS und vor allem gegen die amtierende Weltmeisterin Ducati Panigale V2 mit 955 cm3 und 155 PS (in der WM muss sie wegen ihrer Überlegenheit auf 147 PS gedrosselt werden) antreten.
Alternative
Vorstellung Triumph Street Triple 765
Vielleicht bietet die R9 aber mit mehr Hubraum als die Triumph und einem Zylinder mehr als die Ducati einen Vorteil. Immerhin will das Top-Team Ten Kate in der nächsten Saison die Yamaha R9 einsetzen.
Voll einstellbares Fahrwerk
Mit der R9 fügt Yamaha dem Trend zu nicht übermotorisierten und preisgünstigen Sportlern der Mittelklasse ein weiteres Modell hinzu. Die vor zwei Jahren eingeführte Yamaha R7 mit 73 PS verkauft sich zwar gut, jedoch deutlich weniger als die direkte Konkurrentinnen Aprilia RS 660 (Test) mit 100 PS und Honda CBR 650 R mit 95 PS. Das könnte sich mit der R9 zugunsten von Yamaha ändern, denn ihr deutlich höheres und früher anliegendes Drehmoment wird sich auf der Landstraße positiv bemerkbar machen.
Yamaha R9 (9 Bilder)
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)Dazu trägt auch das voll einstellbare Fahrwerk von KYB bei, hinten lässt sich das Federbein sogar mit einem praktischen Handrad in der Vorspannung verstellen. Bei den Federwegen von 120 mm vorne und 118 mm hinten dürfte auch noch ein halbwegs erträglicher Komfort auf schlechten Wegstrecken vorhanden sein. Als Leergewicht gibt der Hersteller 195 kg an – ein sicher guter, wenn auch nicht herausragender Wert: Der Klassenprimus Aprilia RS 660 wiegt nur 183 kg.
Umfassendes Elektronikpaket
Auf die filigranen Gussfelgen zieht Yamaha werksseitig die sehr haftfreudigen Bridgestone Battlax RS11 in den üblichen Dimensionen 120/70-17 und 180/55-17. Auch bei den Bremsen geht Yamaha keine Kompromisse ein und montiert die aktuellen Stylema-Bremszangen von Brembo mit zwei 320 mm großen Bremsscheiben am Vorderrad und radialem Hauptbremszylinder sowie einstellbarem Handhebel. Die R9 erhält ein umfassendes Elektronikpaket mit der Sechs-Achsen-IMU aus der R1. Sie bietet drei integrierten Fahrmodi (Sport, Street und Rain), zwei frei konfigurierbare Modi und vier Track-Modi. Dazu gesellen sich schräglagensensitive Schlupfregelung, Kurven-ABS und ein Slide-Control-System. Ein Quickshifter der dritten Generation ist ebenfalls serienmäßig. Dazu kommen noch Back-Slip-Regulator, um einem stempelnden Hinterrad entgegenzuwirken, eine Motorbremsmoment- und Wheelie-Kontrolle sowie ein Tempomat.
Fünf Zoll großes TFT-Display
Die Assistenzsysteme lässt sich alle in einem fünf Zoll großen TFT-Display über Tasten am linken Lenkerstummel einstellen. Ähnlich wie schon bei der R1 geraten die Darstellungen etwas klein und gequetscht im Display. Eine Koppelung mit dem Smartphone zum Abrufen gewisser Funktionen inklusive eines Turn-by-turn-Navis ist möglich. Als nettes Feature für die Rundstrecken-Fans gibt es die aus dem Rennsport abgeleitete Y-Trac-App, um die Performance auf dem Track aufzuzeichnen und später zu analysieren.
Fairer Preis
Der Käufer hat bei der R9 die Wahl zwischen den Lackierungen "Icon Blue" und "Tech Black". Im Zubehör sollen bald jede Menge Extras angeboten werden, wie z. B. eine getönte Verkleidungsscheibe, ein kürzerer Kennzeichenträger, eine Soziussitzabdeckung und ein Tankrucksack. Besonders begehrt dürften die für die Rennstrecke gedachten GYTR-Parts sein (u. a. eine leistungssteigernde Akrapovič-Komplettanlage), es wird sogar ein komplettes GYTR-Paket für rund 3000 Euro geben.
Yamaha bietet die R9 für 13.799 Euro Listenpreis inklusive Nebenkosten an. Das ist in Anbetracht der recht umfassenden Serienausstattung ein sehr fairer Preis. Yamaha gibt sich über den Erfolg seiner R9 zuversichtlich und schickt im kommenden Jahr zunächst 1500 Stück nach Deutschland.