Klartext BMW 7er: Der wohlkalkulierte Quasimodo

Der neue 7er polarisiert, das gewöhnungsbedürftige Design wirkt auf den ersten Blick geradezu schmerzhaft. Doch für BMW dürfte die Rechnung aufgehen.

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BMW 7er 2022

Der neue 7er musste herbe Kritik einstecken. BMW wird damit gut leben können.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 3 Min.
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Ja Kruzifix, sind die Bayern wahnsinnig geworden? Quer durch alle Gazetten schallt BMW zum Teil herbe Kritik für die Gestaltung des neuen 7ers entgegen. Filigran wie ein Backstein, kommentierte der Spiegel höhnisch; mein geschätzter Kollege Gregor Honsel will einen "Nacktmull im Darth-Vader-Kostüm" samt ausgestrecktem Mittelfinger entdeckt haben. Vernichtend erscheint auch, was BMW aus Foren entgegendröhnt. Einer unserer Leser schrieb, das Auto könne man nur als "Zuhälter, Mafioso oder bayerischer Ministerpräsident fahren, ohne sich zu schämen". Im Vierzylinder-Turm in München dürften sie für all das bestenfalls ein Lächeln übrig haben, denn die Provokation, die BMW dort in die Verkaufsräume schiebt, ist wohlkalkuliert.

Natürlich bin auch ich erschrocken zusammengezuckt, als ich die ersten Bilder des neuen 7ers gesehen habe. Nicht, dass ich mit zurückhaltender, zeitloser Eleganz gerechnet hätte, Hoffnungen in dieser Richtung habe ich bei BMW schon vor Jahren begraben. Doch das neue Flaggschiff der Marke erscheint mir vor allem von vorn derart fehlgeformt, dass ich spontan unbedingt an einen verspäteten Aprilscherz glauben wollte. Das konnte, ja das durfte doch nicht ihr Ernst sein? Doch!

Gestatten Sie mir eine kurze Rückblende. Es war im Jahr 2001, als BMW mit einem neuen 7er derart turbulent auf Pauke schlug, dass viele Kommentatoren vermuteten, das wäre dann doch zu heftig gewesen. Auf einen Schlag wurde nicht nur die vergleichsweise zierliche Erhabenheit des Vorgängers beerdigt, sondern mit dem iDrive auch noch ein Bediensystem vorgestellt, das anders war als alles, was es bis dato zu kaufen gab. BMW wurde für beides verbal geteert und gefedert, manch einer sah den Untergang der Marke unmittelbar bevorstehen. Doch die Strategen lagen richtig, denn dieser, nun ja, etwas gewöhnungsbedürftig geformte 7er verkaufte sich global prächtig. Das gescholtene Bediensystem iDrive wurde entschlackt und von der Konkurrenz rasch kopiert.

BMW ist heftigen Gegenwind bei Präsentationen eines neuen 7er seit 2001 gewohnt. Das damalige Modell wurde mit Spott und Schmach überzogen - und verkaufte sich anschließend global mehr als nur passabel.

(Bild: BMW)

Sprung ins Jetzt: Der neue 7er polarisiert schon wieder. Eine klassische Schönheit, die auch in zwanzig Jahren noch spontan gefällt, ist er nicht. Muss er aber auch nicht, denn dort, wo BMW Stückzahlen macht, ist das nicht wichtig. In Asien und auch auf dem amerikanischen Markt hat man ganz offenkundig ein anderes Verständnis von Ästhetik und einer angemessenen Größe als in Europa. Für Menschen, die meinen, die Welt drehe sich um Deutschland, wird es nun ganz hart: Für BMW ist der europäische Markt inzwischen eine Nische, und das gilt insbesondere für die Klasse des 7er. Nur ein sehr kleiner Teil der Produktion verbleibt hier.

Ob eine fast 5,4 m lange Limousine in die Zeit passt, beantwortet für BMW der Markt. Gibt es global eine ausreichend große, zahlungsbereite Kundschaft? Die Antwort darauf mag nicht jedem gefallen, doch BMW orientiert sich daran, was Geld in die Kassen spült. Der grauenhaft erscheinende 7er wird auf den aufstrebenden Märkten seine Käufer finden. Dass hier Fans der Marke angesichts der absurden Verformungen bei jeder Neuvorstellung gequält aufkreischen – ich kann es verstehen. BMW jedoch kann damit leben, zumal schätzungsweise 99,9 Prozent derer, die ihr Augenlicht bedroht und die Marke am oder gar über dem Abgrund sehen, auch einen wunderschönen 7er nicht gekauft hätten.

(mfz)