Brüssel verdirbt Intel die Partystimmung

Zum 40. Geburtstag bekommt der US-Chipriese unangenehme Post von der EU-Kommission. Die Brüsseler Wettbewerbshüter weiten das Kartellverfahren gegen Intel aus.

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In Santa Clara feiert Intel den Vierzigsten, doch vom alten Kontinent kommen nicht nur herzliche Glückwünsche. Brüssel sprengt die Party mit der offiziellen Ankündigung vom späten Donnerstagabend, die Kartellermittlungen gegen den US-Chipriesen auszuweiten. Schon am vergangenen Mittwoch hatte sich das Unheil angekündigt. Am gestrigen Donnerstag hat die Kommission Intel dann mitgeteilt, das laufende Verfahren um drei neue Vorwürfe auszuweiten. Dem Halbleiterkonzern wird vorgeworfen, durch "beträchtliche Rabatte" für Hersteller und Handel den angeschlagenen Konkurrenten AMD aus dem Markt drängen zu wollen – aus EU-Sicht ein rechtswidriger Missbrauch der Marktmacht.

In dem Schreiben konkretisiert das Ressort von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes neue Vorwürfe gegen den Chiphersteller. Der Konzern habe einem führenden europäischen Händler Rabatte eingeräumt unter der Bedingung, dass er nur Intel-PCs ins Sortiment nehme. Dazu soll Intel versucht haben, einen führenden OEM-Hersteller mit finanziellen Zuwendungen zu bewegen, die Einführung einer AMD-basierten Produktreihe zu verzögern. Demselben OEM-Hersteller sollen in der Folge "substanzielle Rabatte" eingeräumt worden sein, wenn er Laptop-Bauteile ausschließlich von Intel beziehe. Die Namen der betroffenen Unternehmen nannte die Kommission nicht.

Jeder einzelne der beschriebenen Verstöße könne als Missbrauch der Marktmacht gewertet werden, heißt es in einer Mitteilung der Kommission weiter. Allerdings werde bei den Ermittlungen auch die Möglichkeit berücksichtigt, dass die Verstöße Teil einer Gesamtstrategie seien, um AMD vom Markt zu verdrängen oder zumindest einzuschränken. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, kann die Kommission das Vorgehen untersagen und Geldstrafen verhängen, die bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes ausmachen können. Intel hat nun acht Wochen Zeit für eine Stellungnahme.

In einer ersten Reaktion zeigte sich der Halbleiterhersteller "natürlich enttäuscht". Das zweite Schreiben der Kommission deute daraufhin, dass sich Brüssel die Position AMDs zu Eigen gemacht habe. "Wir werden diesen neuen Einspruch prüfen und umfassend beantworten, allerdings ist deutlich, dass die Vorwürfe auf den selben Beschwerden beruhen, mit denen sich unser Konkurrent AMD seit zehn Jahren an Regulierer und Gerichte in aller Welt wendet." Neu ist dabei, dass Intel in einer offiziellen Stellungnahme den Namen des Konkurrenten erwähnt.

Nach Auffassung von Intel hat das Unternehmen stets nach den Gesetzen und im Sinne des Wettbewerbs gehandelt. Die Rabatte hätten den Kunden sogar niedrigere Preise beschert, heißt es von Seiten des Unternehmens. Ganz anders sieht das Konkurrent AMD, auf dessen Klage hin die EU-Kommission aktiv wurde. Intel habe mit seinem Verhalten die Konsumenten ihres fundamentalen Rechts der Wahl beraubt, sagte Tom McCoy, Manager und Rechtsexperte bei AMD, der dpa. "Kein Wettbewerbsrecht auf der Welt erlaubt Intel, Händler und PC-Hersteller zu bezahlen, um Nicht-Intel-Produkte zu boykottieren."

Bereits im Juli 2007 hatte Intel Post von der Kommission bekommen. Darin erhoben die Brüsseler Wettbewerbshüter ähnliche Vorwürfe gegen Intel und einige PC-Hersteller. Im Rahmen der Untersuchung hatte die EU-Kommission im Sommer 2005 europäische Intel-Niederlassungen sowie Büros verschiedener Hersteller durchsuchen lassen. Nach einer zweiten Durchsuchungsaktion bei Intel und großen europäischen Handelsketten – darunter die zur Metro-Konzern gehörende Media Saturn Holding – im Februar 2008 folgte nun die zweite offizielle Beschwerde der Wettbewerbshüter.

Intel beherrscht mit seinen Chips rund 80 Prozent des Marktes, AMD ist mit etwa 20 Prozent Marktanteil deutlich kleiner. In Südkorea war Intel erst kürzlich zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 16 Millionen Euro verurteilt worden, in Japan erhielt Intel eine Verwarnung. AMD hat am gestrigen Donnerstag zum siebten Mal in Folge einen tiefroten Quartalsbericht veröffentlicht und verzeichnete Verluste in Milliardenhöhe.

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(vbr)