Brüssel will einheitliche Regulierung der Glasfasernetze

Die Europäische Kommission stellt einen Entwurf für ein EU-weit harmonisiertes Regulierungsregime für Next Generation Networks zur Debatte, das den nationalen Regulierern klare Handlungsanweisungen geben würde.

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Die EU-Kommission hat am heutigen Donnerstag in Brüssel den bereits vergangene Woche bekannt gewordenen Regulierungsentwurf für künftige Hochgeschwindigkeitsnetze offiziell vorgestellt. Das Papier steht bis Mitte November zur öffentlichen Debatte. Anschließend soll die Empfehlung unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen fertiggestellt und im kommenden Jahr offiziell verabschiedet werden. Die Empfehlung gilt dann sofort und ist von den Regulierern weitgehend zu befolgen.

Brüssel strebt einen gemeinsamen regulatorischen Rahmen für die neuen Netze an. Die Kommission werde für die Regulierung sorgen, "die der Markt braucht", macht die für Telekommunikation zuständige Kommissarin Viviane Reding deutlich. Der Spielraum für abweichende nationale Regelungen solle "möglichst klein" gehalten werden. "Nicht abgestimmte oder sogar nicht miteinander zu vereinbarende Maßnahmen der nationalen Regulierungsbehörden in Bezug auf NGA-Netze könnten den Wettbewerb stark beeinträchtigen und den europäischen Binnenmarkt gefährden", warnte Reding.

Die Regulierungsbehörden der Mitgliedsstaaten sollen der Kommission zufolge dafür sorgen, dass Wettbewerber auf der niedrigstmöglichen Stufe Zugang zu den Netzen marktbeherrschender Anbieter erhalten. "Die neue Glasfasertechnologie wird die Wettbewerbsbedingungen in der Zukunft prägen", erklärte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. "Wir brauchen einen geeigneten Rechtsrahmen, damit die europäischen Unternehmen zu fairen Bedingungen Zugang zu den neuen Netzen erhalten." Insbesondere sollten die Zugangsmöglichkeiten zu den Leerrohren dominanter Netzbetreiber oder unbeschalteten Glasfaserleitungen sowie der Bitstrom-Zugang sichergestellt werden.

In dem dreizehnseitigen Entwurf schlägt die Kommission darüber hinaus einheitliche Kategorien für regulierte Dienste, Gebühren und Zugangsbedingungen vor. Weiter stellt Brüssel ein Modell für die Berechnung einer angemessenen Rendite für die investierenden Netzbetreiber vor. Eine von Wettbewerbern für den Zugang an die Netzbetreiber zu entrichtende Risikoprämie soll die Investitionsbereitschaft fördern. Solche Anreize hatte auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, grundsätzlich befürwortet.

Die klare Ansage aus Brüssel kommt zu einer Zeit, in der das Verhältnis der nationalen Regulierer und der Kommission als gespannt bezeichnet werden muss. Die Kommission hatte mit der anstehenden Novelle des Regulierungsrahmens für den Telekommunikationsmarkt einen EU-Superregulierer in Brüssel installieren wollen und war damit im EU-Parlament und in den Mitgliedsstaaten auf heftigen Widerstand gestoßen. Nach einem Kompromiss soll nun eine zentrale Agentur die Arbeit der nationalen Regulierer auf EU-Ebene koordinieren.

Doch dürfte den Regulierungsbehörden auch der heute vorgelegte Entwurf der Kommission mit seinen klaren Vorgaben zu weit gehen. Die "detaillierten Empfehlungen" schränkten das Ermessen der nationalen Regulierer "fast gegen Null" ein, bemängelte die Arbeitsgruppe der europäischen Regulierer (ERG) laut FTD in einer vorläufigen Stellungnahme. Sie fürchten unter anderem negative Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft in den Netzausbau in ländlichen Regionen. Die deutsche Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) will den Kommissionsentwurf zunächst prüfen.

Der deutsche Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) begrüßte dagegen den Kommissionsvorschlag. Die im VATM organisierten Wettbewerber befürworteten den raschen Ausbau der Breitband-Infrastruktur, teilte der Verband mit. Verbandschef Jürgen Grützner forderte jedoch Rahmenbedingungen, die "nicht einseitig die Investitionen eines einzelnen Unternehmens zu Lasten der übrigen Marktakteure schützen". Es sei wichtig, dass gegen entsprechende Entgelte alle Anbieter gleichberechtigten Zugang zu den relevanten Netzelementen erhielten. Sollte der Zugang nicht klar geregelt werden, drohe eine Re-Monopolisierung der Netze.

Die Bundesnetzagentur hatte hierzulande der Telekom bereits entsprechende Auflagen erteilt. Um die Frage der Regulierung des VDSL-Netzes wurde zwischen Berlin und Brüssel heftig gestritten. Die Kommission hatte im Juni vergangenen Jahres Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen des neuen Telekomgesetzes verklagt. Das umstrittene Gesetz nimmt das VDSL-Netz der Telekom zeitweise von der Überwachung durch die Wettbewerbshüter aus. Ein Urteil des höchsten EU-Gerichts steht noch aus. (vbr)