E-Autos im Winter: Wer kommt der Werksangabe nahe?

Der ADAC hat getestet, wie komfortabel sich E-Autos auf der Langstrecke im Winter nutzen lassen. Die Unterschiede zwischen den Herstellern sind beträchtlich.

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Mercedes EQS

(Bild: ADAC/abgedreht)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Es ist der Klassiker, den viele Besitzer von Elektroautos schon mehr als einmal gehört haben werden: "Wie weit kommt der denn?" Wer ein E-Auto im Alltag eine gewisse Zeit genutzt hat, wird antworten: "Es kommt drauf an …", denn eine pauschale Antwort darauf verbietet sich. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle, um das mit einem Satz seriös beantworten zu können. Auch der ADAC kann das mit seinem aktuellen Test nicht, was auch nicht das Ziel war. Der Club hat sich eine Reihe von mehr oder weniger populären Modellen für einen Test geholt, um sie unter für Elektroautos denkbar ungünstigen Umständen auf die Probe zu stellen. Herausgekommen sind dabei signifikante Unterschiede zwischen den E-Autos.

Das Szenario des ADAC ist gleich in doppelter Hinsicht kein Spiegel eines durchschnittlichen Fahrprofils, allerdings deswegen nicht fern der Praxis. Simuliert hat sich der Club eine Fahrt von MĂĽnchen nach Berlin bei Temperaturen um Null Grad. Im Alltag der meisten Autofahrer sind solche Distanzen die Ausnahme, und glĂĽcklicherweise herrschen nicht das ganze Jahr ĂĽber solche klimatischen Bedingungen. Es ging dem ADAC also darum zu zeigen, wie sich E-Autos abseits der Idealbedingungen schlagen, wie sie der WLTP abbildet. Die offizielle Verbrauchsangabe im Zyklus wird bei 23 Grad erfasst. Damit ist der Energiebedarf fĂĽr die Klimatisierung von Batteriezellen und Innenraum sehr gering.

Ausgewählt hat der ADAC die jeweils reichweitenstärksten Modelle von 25 Herstellern. Für eine Vergleichbarkeit zwischen allen Kandidaten herzustellen, wurde der Test in ein Prüflabor verlegt. Als Kandidaten wurden ausgewählt:

Der Test liefert gleich mehrere Erkenntnisse zu den Kandidaten unter winterlichen Bedingungen. Zum einen sinkt die ermittelte Reichweite auf einer frostigen Autobahn gegenĂĽber dem WLTP unterschiedlich stark. Nio (-21 Prozent), Porsche (-24) und Mercedes (-27) schneiden dabei am besten ab. Statt 531 schaffte der Nio noch 421 km mit voller Batterie, bei Porsche waren es statt 667 noch 504 und bei Mercedes 600 statt der versprochenen 817 km. Anders sieht es bei den Schlusslichtern von Volvo, MG und Toyota aus. Beim Volvo blieben im Test noch 285 von 569 km ĂĽbrig. Der MG schafft nur 254 statt 520 km und der Toyota 233 statt 504 km.

Für die Einordnung der Zahlen ist wesentlich, dass der ADAC hier Praxiswerte einer winterlichen Autobahnfahrt mit Werten im Zyklus vergleicht, die nur zu einem kleinen Teil auf der Autobahn erfahren werden – und das bei 23 Grad Celsius. Anders formuliert: Auf die Referenzwerte, mit denen hier verglichen wurde, kommen die Kandidaten der Autobahn auch bei höheren Temperaturen nicht. Die unterschiedlichen Abweichungen sind dennoch bemerkenswert.

Gestartet wurde mit einer komplett geladenen Batterie. Der Mercedes war in diesem Test der einzige Kandidat, der die 582 km mit einer Ladung hinbekam – und sogar noch 18 km Restreichweite hatte. Das liegt zum einen an einem sehr hohen Energiegehalt in der Batterie, zum anderen am geringsten Verbrauch in diesem Starterfeld. Er lag bei 20,8 kWh/100 km. Die letzten fĂĽnf, Volvo, Genesis, Peugeot, MG und Toyota, schafften nicht einmal die Hälfte davon. Wer bei einem Ladestand von 10 Prozent an die Säule rollt und aus ZeitgrĂĽnden bei 80 Prozent die Aufladung abbricht, kommt mit einem Stopp nicht von MĂĽnchen nach Berlin. Im Falle des Toyotas reicht dann auch ein zweiter Stopp nicht aus.

ADAC-Test: Elektroautos im Winter (4 Bilder)

Der sehr teure Mercedes EQS kombiniert eine Batterie mit hohem Energiegehalt mit einem geringen Verbrauch.

Ein StĂĽck weit entschärfen lässt sich die lästige Reichweiten-Debatte, wenn die Ladestopps kurz ausfallen, die Batterie also rasch wieder fĂĽr viele weitere Kilometer fit ist. Auch hier liegt das Testfeld erwartungsgemäß sehr weit auseinander. Der ADAC hat einen Ladestand von 10 Prozent und eine 20-minĂĽtige Pause angesetzt und gemessen, um wie viel die Reichweite in dieser Zeit gestiegen ist. Sofern die Infrastruktur vor Ort mitspielt, hat der Porsche Taycan nach 20 Minuten 370 km nachgeladen – bezogen auf den in diesem Test ermittelten Verbrauch. Da kommt derzeit kein anderer Hersteller mit. Mercedes landet mit 304 km schon deutlich dahinter, alle anderen legen weniger als 300 km nach. Es gibt ein breites Mittelfeld mit Werten zwischen etwa 190 und 220 km. Die E-Autos im Test, die in den 20 Minuten am wenigsten Reichweite nachladen, kommen von Toyota, Peugeot, Renault und GWM.

Der Test des ADAC bildet nur einen kleinen Ausschnitt eines durchschnittlichen Fahrprofils ab. Dennoch sind die Unterschiede zwischen den Modellen bemerkenswert, denn nicht jeder Kandidat ist eine Idealbesetzung auf Langstrecken unter winterlichen Bedingungen. Wie relevant die Erkenntnisse sind, müssen Nutzer mit ihrem Fahrprofil abgleichen. Wer meist nur kurze Distanzen zurücklegt und lange Strecken vor allem im Sommer fährt, wird die Ergebnisse anders gewichten als jemand, der ganzjährig weit fährt.

(mfz)