E-Bus-Hersteller Proterra ist insolvent

Proterra, Hersteller elektrischer Autobusse und Lieferant von Akkus und Ladestationen für Schwerfahrzeuge ist zahlungsunfähig. Der Betrieb geht vorerst weiter.​

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Weiß-Blauer Öffi-Bus mit Zielanzeige "Mill Woods TC" steht an einer Haltestelle

Ein Proterra Catalyst E2 Max in Edmonton. Fährt elektrisch, wird aber mit Diesel geheizt. Inzwischen testet Edmonton einen Wasserstoffbus, der an Bord aus Wasserstoff Strom für die Elektromotoren gewinnt.

(Bild: Vanstrat CC BY-SA 4.0)

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Proterra ist zahlungsunfähig. Das kalifornische Unternehmen ist einer der führenden Hersteller von elektrischen Autobussen für den öffentlichen Personennahverkehr. Außerdem liefert Proterra Akkumulatoren auf Basis von LG-Zellen für andere Schwerfahrzeuge sowie Ladeinfrastruktur für Schwerfahrzeug-Flotten. Am Montag hat die Firma Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts beantragt.

Daraufhin sind Proterra-Aktien am Dienstag um 87 Prozent abgestürzt. Dagegen half auch die schönfärberische Überschrift der Mitteilung nicht: "Proterra Announces Strategic Initiatives to Strengthen Financial Position and Sharpen Technology Focus" (Proterra veröffentlicht eine strategische Initiative zur Stärkung der finanziellen Position und zur Schärfung des technischen Fokus). Auf der eigenen Unternehmenswebseite ist übrigens keine Rede vom Insolvenzverfahren.

Die bei Gericht eingereichten Anträge zeigen, dass Proterra mehr als 5.000 Gläubiger hat und ihnen insgesamt eine halbe bis eine Milliarde US-Dollar schuldet. In der selben Bandbreite soll die Vermögensmasse liegen. Die für Mittwoch angesetzte Bekanntgabe der Quartalszahlen ist abberaumt.

Seit Dienstag ist das 2004 gegründete Unternehmen ein Pennystock – und reiht sich in die lange Reihe verlustreicher SPACs sein. Denn Proterra hat keinen klassischen Börsengang mit öffentlichem Verkauf von Aktien zu einem Fixpreis (Initial Public Offering, IPO) unternommen, sondern ist im Juni 2021 durch Verschmelzung mit einer sogenannte SPAC (Special Purpose Acquisition Company) zu seinem Börsenlisting gekommen. Für Proterra war das schneller und günstiger; für die Anleger weniger.

Eine SPAC wird nur dazu gegründet, Geld von Investoren einzusammeln, dann ohne eigentliche Geschäftstätigkeit an der Börse zu notieren, um schließlich mit einer noch nicht börsennotierten Firma zu verschmelzen. Das war um das Jahr 2020 en vogue. Allerdings haben SPACs nur zwei Jahre Zeit, eine andere Firma zu kaufen, sonst erhalten die Anleger ihr Geld zurück. Dieser Zeitdruck, und das bekannte Kaufbudget, sind vielleicht nicht die idealen Grundlagen für reich machende Investitionen.

Seit 2010 versucht Proterra, Öffi-Betreiber davon zu überzeugen, dass E-Busse die Zukunft sind. Bis Ende März dieses Jahres hat Proterra über 1050 Elektrobusse ausgeliefert, die mehr als 40 Millionen Meilen abgespult haben. Seit 2018 hat die Firma andere Hersteller mit Akkus für mehr als 1875 Fahrzeuge sowie Bau- und Bergbaugeräte versorgt. Seit 2013 hat sie mehr als 1.000 Ladestationen mit insgesamt über 100 Megawatt Kapazität installiert. Beispiele sind 4,3 Megawatt im kanadischen Edmonton oder 9 Megawatt in Miami, jeweils für die dortigen Öffi-Betreiber.

Jetzt sucht Proterra neue Geldgeber oder einen Käufer, der das Unternehmen weiterführen möchte. Vorerst geht der Betrieb weiter, sofern das Konkursgericht in Delaware den Zugriff auf noch vorhandene Geldmittel genehmigt. Schließlich muss Proterra Mitarbeiter und Lieferanten bezahlen. Allerdings möchte CEO Gareth Joyce die unterschiedlichen Betriebssparten trennen, um "ihr individuelles Potenzial zu maximieren." Fortan sollen sie separat bilanzieren. Anfang des Jahres hat das Unternehmen bereits 300 Mitarbeitern gekündigt und beschlossen, den Produktionsstandort in Kalifornien bis Jahresende zu schließen. Dann wollte Proterra nur noch in South Carolina produzieren.

"Obwohl unsere elektrischen Fahrzeuge und Akkutechniken branchenführend sind, waren wir im Markt und im wirtschaftlichen Umfeld verschiedenen Gegenwinden ausgesetzt", sagt der Firmenchef, "Das hat unsere Fähigkeit, alle unsere Möglichkeiten gleichzeitig effizient zu skalieren, beeinträchtigt." So reiht sich Proterra in die lange Liste insolvent gewordener Elektrofahrzeug-Unternehmen ein.

Erst Ende Juni hat Lordstown Motors, Hersteller des elektrischen Pickups Endurance, Gläubigerschutz beantragt. Schon seit Jahren steckte Lordstown in der Krise; nachdem sich Vorbestellungen in Luft aufgelöst hatten, wurden 2021 der CEO und der Finanzchef Lordstown Motors entlassen und die Pläne für einen elektrischen Van schubladisiert.

Dieses Jahr sollte eine Investition des taiwanischen Foxconn-Konzerns in Höhe von 170 Millionen US-Dollar die Wende bringen. Im April versuchte Foxconn allerdings, unter einem Vorwand aus dem Vertrag auszusteigen, woraufhin Lordstown Klage einreichte. Doch so ein Gerichtsverfahren dauert eben. Also folgte Ende Juni die Flucht in den Gläubigerschutz. Ungewöhnlich dabei ist, dass die Firma angibt, schuldenfrei zu sein und noch Geld bei der Hand zu haben – aber offenbar zu wenig, um bereits anstehende Verpflichtungen zu decken.

Auch Lordstown Motors ist übrigens durch Verschmelzung mit einer SPAC an die Börse gelangt. Das war im Oktober 2020, als Geld noch gratis war.

(ds)