E-Motorrad Zero SR/S: Luftröhre schafft Reichweiten-Plus

Beim Zero SRS Intelligent Aero Prototype erhöht WMC mit Aerodynamik-Eingriffen die Reichweite des E-Motorrads. Ein vielversprechender Machbarkeitsnachweis.

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WMC Zero SRS Intelligent Aero Prototype

(Bild: WMC)

Lesezeit: 4 Min.

Nach erfolgreichen Tests mit einer aerodynamisch radikal verbesserten, elektrischen Rekordmaschine 2021 hatte man eine Zeit lang nichts mehr gehört vom britischen Forschungs- und Entwicklungsbüro White Motorcycle Concepts (WMC). Jetzt zeigt der Ingenieursdienstleister anhand einer Zero SR/S, wie mit nur geringen Änderungen an einem serienmäßigen Bike der Luftwiderstand um ganze zehn Prozent verringert werden kann. Der Prototyp wird von Zero Motorcycle auf der britischen Motorradmesse "Motorcycle Live 2024" von 16. bis 24. November in Birmingham ausgestellt.

Elektromotorräder

Das in Kooperation mit dem kalifornischen Hersteller umgestaltete E-Krad fährt jetzt schneller und hat bei höheren Geschwindigkeiten eine größere Reichweite. Dazu haben die Ingenieure durch eine serienmäßige Zero SR/S einen Luftkanal mit gar nicht mal dramatisch großem Querschnitt gelegt, der den Staudruck aus dem Bereich zwischen Vorderrad und Lenkkopf nach hinten entspannt. Passend nach Aerodynamik-Computersimulationen geformte Vorderradkotflügel- und Gabelverkleidungen leiten den Luftstrom in den horizontal verlaufenden Kanal, der sich auf Höhe von Leistungselektronik und Batterie teilt und in zwei übereinanderliegenden Öffnungen über dem Hinterrad endet.

Der dafür nötige Platz könnte bei der Serien-SR/S durch eine höhere Montage der Leistungselektronik entstehen, die oberhalb der Batterie angeordnet ist. Das wäre bei der serienmäßigen SR/S denkbar durch den Verzicht auf ein optionales Ladegerät. Wird das nicht mitbestellt, befindet sich oberhalb der Elektronik ein relativ großes Staufach – oder eben Raum für die nötige Verlagerung der Wechselrichter.

WMC Zero SRS Intelligent Aero Prototype I (9 Bilder)

Damit auch jeder hinschaut, haben Zero und WMC die Kanäle rot gefärbt. (Bild:

WMC

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Laut WMC habe diese einfache Maßnahme den Luftwiderstandsbeiwert der SR/S um zehn Prozent verbessert. Berücksichtigt man das normale Nutzerverhalten (also keine dauernd hohen Geschwindigkeiten), könnte sich der Stromverbrauch um rund fünf Prozent verringern, die SR/S führe so im Idealfall also statt 275 auf 290 km pro Ladung im WMTC. Das Nutzerverhalten ist an dieser Stelle erwähnenswert, weil der Luftwiderstand im Quadrat der Geschwindigkeit wächst. Im Stadtverkehr dürfte die Aerodynamik-Verbesserung also keinen messbaren Effekt bedingen.

WMC überträgt damit seine Erkenntnisse aus dem Projekt WMC250EV, das die Firma um ihren Gründer Robert White herum entwickelt hat. Er möchte eigenhändig den Landgeschwindigkeitsrekord für ein Elektromotorrad aufstellen, was ein schöner Werbeeffekt für sein Entwicklungsbüro wäre. Das Ziel lautet, mit diesem Motorrad 402 km/h zu erreichen. Man darf mangels Vollzugsmeldung davon ausgehen, dass sie immer noch daran arbeiten – ist ja immerhin Chefsache.

Beim Prototypen für den Weltrekord verläuft ein viel größerer, fast gerader Venturi-Tunnel zwischen Fahrwerk und Antrieb. Möglich wird die Dimension des Tunnels durch den darauf fast liegenden Fahrer. Dieses radikale Konzept soll den Luftwiderstand gegenüber einem traditionell aufgebauten Motorrad um bemerkenswerte 69 Prozent reduzieren, ist aber schon wegen der Fahrerposition auf einem Straßenmotorrad nicht realistisch.

Zero SRS Intelligent Aero Prototype II (7 Bilder)

Blau und grün sind Kotflügel und Gabelverkleidungen, rot ist der Lufteinlauf, gelb, orange und rot die Kanäle. Batterie und Leistungselektronik sind grau gezeichnet. (Bild:

WMC

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Nicht nur Elektromotorräder profitieren von der Kanalarbeit bei WMC. Auch ein Neigetechnik-Dreirad auf Basis der Yamaha Tricity 300 hat bereits Vorteile bewiesen. Mithilfe einer Hybridisierung in Verbindung mit dem internen Windkanal soll der Verbrauch im Vergleich um bis zu 50 Prozent niedriger liegen.

Sollten sich die Werte von WMC für die Zero SR/S im Realbetrieb bestätigen, könnten wir bald mehr Elektromotorräder mit zentralen Schächten sehen. Der Eingriff in die Strukturen ist – jedenfalls bei der Zero – überschaubar. Dass wir bald Autos mit Kanälen sehen werden, ist dagegen so gut wie ausgeschlossen, weil sie durch ihre Karosserien längst in einer ganz anderen aerodynamischen Liga spielen. Hier sind allenfalls noch ein paar Zehntelprozent zu holen.

(fpi)