EU-Kommission nimmt TK-Unternehmen an die Kandare

Die derzeit am heißesten diskutierte Neuerung bei den vorgeschlagenen EU-Telecom-Bestimmungen betrifft die Regulierung, die auch die Trennung von Netz und Service ermöglichen soll.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die EU-Kommission verabschiedete am gestrigen Dienstag ihr "Telecom-Paket", eine Sammlung von Richtlinien, Untersuchungen und Berichten zum Telekommunikationsmarkt; Europaparlament und Ministerrat müssen noch zustimmen. Mit der Vorlage der einzelnen Dokumente zu den verschiedenen Vorhaben der Kommission werden nun auch Details zu den Vorschlägen und vorgesehenen Bestimmungen bekannt. Die derzeit am heißesten diskutierte Neuerung betrifft die Regulierung – zu den schärfsten Waffen der nationalen Regulierungsbehörden soll künftig gehören, marktdominierenden Netzbetreibern die "funktionale Trennung" von Netz und Service in getrennte Unternehmenseinheiten anordnen zu dürfen.

Anders als marktbeherrschende Energiekonzerne, die die EU-Kommission zum Verkauf der Netze zwingen will, sollen Telekommunikationsunternehmen Netz und Service behalten dürfen. Doch die Carrier müssen klar trennen zwischen den Zuständigkeiten für die Infrastruktur und für die Dienstleistungen. Damit würden der eigene Vertrieb der jeweiligen Telcos sowie neue Marktteilnehmer vor die gleichen Teilnahmevoraussetzungen gestellt. Diskriminierungen preislicher aber auch nicht-preislicher Art wie Zeitverzögerungen bei der Bereitstellung der Dienste oder der unterschiedlichen Informationspolitik gegenüber eigenen und fremden Kunden würden abgeschafft. Telekommunikationsexperten glauben, dass die "funktionale Trennung" geeignet ist, diese nicht-preislichen Diskriminierungen zu beseitigen und den Wettbewerb erneut anzuregen.

Kommissarin Viviane Reding begründet diese Regelung damit, dass die Monopolisten noch immer die breitbandigen Übertragungswege beherrschen und damit den Wettbewerb erschweren. Dies sei der Grund dafür, dass sich Hochleistungsnetze in der EU noch nicht flächendeckend durchgesetzt haben. Mit dem Instrument der "funktionalen Trennung" könnten nun die Flaschenhälse bei der Netzversorgung überwunden werden. Vor allem in ländlichen Gegenden muss durchschnittlich ein Drittel der Bewohner ohne einen schnellen Internetzugang auskommen. Durchschnittlich beträgt die Breitband-Penetration in der EU nur 18,2 Prozent mit den Spitzenreitern Dänemark (37,2 %) und Niederlande (33,1 %).

Gute Erfahrungen mit der "funktionalen Trennung" konnte laut EU-Kommission bereits Großbritannien machen. In der Folge konnte der Markt deutlich dereguliert werden. Nachdem British Telecom 2005 die funktionale Trennung angekündigt hatte, stiegen die Aktienpreise. Zu Beginn gab es lediglich 105.000 entbündelte Zugänge, inzwischen sind es drei Millionen. Italien, Schweden und Polen erklärten bereits, die "funktionale Trennung" einführen zu wollen.

Die British Telecom erklärte, dass es die Einführung des Instruments der "funktionalen Trennung" unterstütze. Es solle zwar nicht in jedem Mitgliedsstaat angewandt, aber als Handlungsoption der Regulierer soll es zur Verfügung stehen. Die European Regulators Group (ERG) sowie die European Competitive Telecommunications Association (ECTA) begrüßten die Einführung des Instruments. Die ERG wies jedoch darauf hin, dass in jedem Fall die Einführung einer "funktionalen Trennung" sorgfältig abzuwägen sei, da mitunter die Implementierungskosten die zu erwarteten Vorteile übersteigen können. Sie sei außerdem nur noch schwer zurückzunehmen.

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(Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)