Ein schweres Erbe für Telekom-Chef Sihler

Was können Helmut Sihler und sein Stellvertreter Gerd Tenzer beim größten Telekommunikationskonzern Europas schon besser machen als Ron Sommer, fragen sich Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 40 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Die Weisheit des Alters und die langjährigen Erfahrungen als Topmanager sollen es richten: Helmut Sihler, der 72-jährige neue Chef der Deutschen Telekom AG, will das hoch verschuldete Unternehmen wieder auf Trab bringen und den Kurs der T-Aktie beflügeln. Doch beim größten Telekommunikationsunternehmen Europas hat der einstige Aufsichtsratsvorsitzende -- wenn auch nur vorübergehend für sechs Monate -- ein schweres Erbe angetreten. Was können Sihler und sein Stellvertreter Gerd Tenzer schon besser machen als Ron Sommer?

Hans-Dietrich Winkhaus, der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Telekom, spricht von einer "Neuausrichtung" und meint damit einen radikalen Spar- und Konsolidierungskurs. Derzeit ist aber nicht klar, was damit eigentlich gemeint ist. Schließlich hatte der Vorstand unter Sommer bereits Ende März der Telekom eine Rosskur verordnet: Die Kürzung von Investitionen in Sachanlagen sollen jährlich Ersparnisse von 1 Milliarde Euro bringen. Auch an Personalkosten will die Telekom sparen und bis 2004 jährlich gut 10.000 Arbeitsplätze vor allem im Festnetzbereich streichen.

Werden die Erlöse aus dem geplanten Verkauf des TV-Kabelnetzes, von Immobilien und dem mehrfach verschobenen Börsengang von T-Mobile aufsummiert, würde sich die Verschuldung von gegenwärtig rund 65 Milliarden Euro bis Ende 2003 auf 50 Milliarden Euro senken lassen. Dieses Ziel hatte sich die Telekom ursprünglich sogar für Ende dieses Jahres vorgenommen. Doch der bereits sicher geglaubte Verkauf des Kabelnetzes an den US-Medienkonzern Liberty Media scheiterte am Einspruch des Kartellamtes.

Winkhaus und Sihler, die beide einmal dem Waschmittelkonzern Henkel vorstanden, wollen jetzt in Sachen Schuldenabbau Gas geben. Beim forcierten Kostenabbau bleibt ihnen aber kaum Luft. Für das Kabelnetz scheint ein Preis von 5,5 Milliarden Euro -- den hatte die Telekom mit Liberty Media vereinbart -- heute nicht mehr realisierbar. Ein weiterer Stellenabbau ist wegen des Ausschlusses von betriebsbedingten Kündigungen ohnehin kaum möglich und mit den Gewerkschaften kaum zu machen. Bleiben nur der Verkauf von weiteren Beteiligungen und zwar im Kerngeschäft, das Sommer nicht anzutasten wagte.

So wird in der Branche spekuliert, die Telekom könne sich von ihrer Beteiligung an der niederländischen Mobilfunkfirma Ben trennen. Zur Diskussion sollen angeblich auch Teile des Systemgeschäfts von debis (T-Systems) stehen, die die Telekom im vergangenen Jahr von DaimlerChrysler übernommen hatte. Telekom-Analysten wie Oliver Pfluger von der WGZ-Bank wagen sogar die Prognose: "Die Telekom-Tochter VoiceStream bekommt in den USA kein Bein auf den Boden und wird wahrscheinlich verkauft." Auf diesem Wege könnte der Vorstand tatsächlich auf einen Schlag die Schulden kräftig reduzieren. Doch ein solcher Befreiungsschlag hätte ein hohen Preis. VoiceStream, für den die Telekom im vergangenen Jahr mehr als 35 Milliarden Euro berappte, würde nicht annähernd einen solchen Betrag erlösen und ein sattes Verlustgeschäft sein.

"Wir würden unsere Zukunft verkaufen", sagt Telekom-Sprecher Stephan Broszio über solche Szenarien und verweist auf British Telecom, die heute nur noch ein nationaler Anbieter ist. Kaum vorstellbar, dass Sihler diesen Weg geht. Am Tag seines Amtsantritts beteuerte er schließlich: "Wir bleiben ein internationales Unternehmen und werden diesen Kurs fortsetzen." Möglich scheint für die US-Tochter der Telekom indes eine andere Lösung, um sie schneller in die Gewinnzone zu führen: Eine Fusion mit einem anderen US-Anbieter, zuletzt wurde über ein Zusammengehen mit AT&T Wireless oder Cingular spekuliert. Der US-Mobilfunkmarkt durchläuft derzeit eine Phase der Konsolidierung. "Wir sind für Gespräche offen", heißt es dazu aus der Bonner Konzernzentrale. Damit würde die Telekom die Mehrheit an dem Unternehmen verlieren und wäre in einer ähnlichen Lage wie Vodafone beim US-Marktführer Verizon.

Ob und wie schnell Sihler die zweite Aufgabe als Übergangschef der Telekom löst, bleibt indes abzuwarten. Ein Nachfolger für den Vorstandsvorsitz soll gefunden werden, der das Vertrauen der Märkte genießt und im Unternehmen selbst ankommt. Zuständig für eine solche Aufgabe ist eigentlich aber nicht der Vorstand, sondern der Aufsichtsrat. Doch bei der Telekom ticken in diesen Tagen die Uhren sowieso ganz anders.

Zu der Entwicklung bei der Telekom siehe auch:

(Peter Lessmann, dpa) / (jk)