Neue Telekom-Chefs kündigen harten Konsolidierungskurs an [Update]

Nach dem Rücktritt von Ron Sommer und der Berufung von Helmut Sihler zum Vorstandsvorsitzenden stehen der Telekom und ihren Mitarbeitern harte Zeiten bevor.

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Von
  • Jürgen Kuri

Nach dem Rücktritt von Ron Sommer und der Berufung von Helmut Sihler zum Vorstandsvorsitzenden für sechs Monate stehen der Telekom und ihren Mitarbeitern harte Zeiten bevor. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Hans-Dietrich Winkhaus, kündigte einen radikalen Konsolidierungskurs mit Kostensenkungen und Schuldenabbau an. Nähere Einzelheiten zu den Konsolidierungsplänen wurden nicht bekannt. Bereits zu Sommers Zeiten hatte die Telekom auf dem Weg vom Staats-Monopolisten zum Weltkonzern 100.000 Stellen abgebaut.

Es habe keinen politischen Druck auf die Entscheidungen um den Chefposten bei der Telekom gegeben, betonte der Aufsichtsratsvorsitzende. In den vergangenen Tagen hatten sich hartnäckig Spekulationen gehalten, wonach Bundeskanzler Gerhard Schröder den Abgang Sommers angestrebt habe. Berlin hatte stets eine Einmischung zurückgewiesen. In einer ersten Reaktion der Regierungsseite begrüßte das Finanzministerium Sommers Rücktritt. Sihler und Tenzer seien eine "überzeugende Neubesetzung", sagte Finanzminister Hans Eichel. Der 59-jährige Technikvorstand Gerd Tenzer, selbst lange Zeit als Sommer-Nachfolger gehandelt, wird Vize von Sihler. Der Manager, der wie der jetzige Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus einmal Chef des Waschmittelkonzerns Henkel war, hat als Aufsichtsrat die Strategie Sommers stets unterstützt. Der Nachrichtentechniker Tenzer, seit 1990 bei der Telekom im Vorstand, gilt als die "Seele" im Konzern. Der "Herr der Netze" ist unter den Arbeitnehmern angesehen und hat sich in den vergangenen Jahren vor allem um den Verkauf der TV-Kabelnetze gekümmert; die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat waren es auch, die angeblich auf eine Berufung des SPD-Mitglieds Tenzer auf den Vorstandsvorsitz drängten. "Wir freuen uns, dass die Strategie der Telekom beibehalten wird und es zu keinem Kahlschlag kommt", betonte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Arbeitnehmervertreter, Rüdiger Schulze.

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer kritisierte "politische Einflussnahme" der Bundesregierung auf die Entscheidungen des Aufsichtsrates. Dieser habe sich "in die Diskussion reintreiben lassen". Dagegen wurden die Beschlüsse des Gremiums auch von Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt, der Mitglied im 20-köpfigen Telekom-Aufsichtsrat ist, begrüßt. "Das ist eine sehr, sehr gute Lösung nach dem Verlauf der letzten Wochen." Die Idee dazu sei ihm gemeinsam mit dem DGB-Vorsitzenden und Telekom-Aufsichtsrat Michael Sommer in einer Sitzungspause gekommen. "Der Aufsichtsrat hat seine Unabhängigkeit bewiesen. Wir haben jetzt das Gesetz des Handelns in der Hand und können in Ruhe über den 22. September hinaus den geeigneten Kandidaten suchen", betonte Hundt. FDP-Chef Guido Westerwelle warf der Bundesregierung vor, sie trage die Verantwortung für eines der "größten Desaster der deutschen Wirtschaftsgeschichte". Der Regierung sei es um die Zukunft von Rot-Grün und nicht des Unternehmens gegangen, das zum parteipolitischen Spielball geworden sei.

Nach Informationen, die dpa aus Unternehmenskreisen erhielt, soll Sommer bis zuletzt um seinen Posten gekämpft haben. Er habe die Aufsichtsräte aufgefordert, sich einstimmig hinter ihn zu stellen, hieß es aus der Konzernzentrale. Als die Unterstützung ausblieb, sei er zurückgetreten. "Wenn ein Vorstandsvorsitzender nicht über das volle Vertrauen des Aufsichtsrats verfügt, ist der Rücktritt der einzige Schritt", sagte Sommer in einer dramatischen Ansprache. Mit seinem Rücktritt wolle er zumindest den Teil der Debatte beenden, der mit seiner Person zu tun habe. "Das Ansehen der Deutschen Telekom hat durch die öffentlichen Diskussionen, insbesondere der vergangenen Woche, bereits erheblich gelitten." Er hob die Erfolge seiner Amtszeit wie die Verbesserung der operativen Geschäfte hervor. Zur Berufung Sihlers hieß es im Unternehmen, der Aufsichtsrat habe sich für ihn unter anderem entschieden, da befürchtet worden sei, dass mit SPD-Mitglied Tenzer an der Spitze das Unternehmen stärker in den Wahlkampf hineingezogen werden könnte. Außerdem habe die negative Reaktion der Börse auf Tenzers Kandidatur eine Rolle gespielt. Die Telekom-Aktie war am Montag um mehr als 15 Prozent abgestürzt, nachdem sich Spekulationen über Tenzer als Nachfolger Sommers verdichtet hatten.

Am Dienstag reagierte die T-Aktie auf Sommers Abgang in den ersten Minuten mit einem kurzfristigen rapiden Anstieg von bis zu zehn Prozent, fiel jedoch anschließend sogar wieder etwas hinter den Kurs vor Sommers Rücktritt zurück. Zum Handelsschluss in Frankfurt lag die T-Aktie dann mit einem Plus von 6,12 Prozent bei 10,93 Euro. In der vergangenen Woche hatte das zuletzt schwer gebeutelte Papier nach den Spekulationen über eine Ablösung Sommers einen deutlichen Erholungskurs eingeschlagen.

Sihler bedauerte in einer ersten Reaktion den Abgang Sommers. Er habe vier bis fünf Jahre sehr gut mit Sommer zusammengearbeitet. "In dieser Situation habe ich mich bereit erklärt, interimistisch diese Aufgabe zu übernehmen." Ihm gehe es auch darum, das Vertrauen der Telekom-Mitarbeiter in das Unternehmen zu erhalten. "Mein Alter sagt schon, dass dies nur eine Interimszeit sein kann", meinte er zu seinem neuen Posten. Die finanziellen Modalitäten für den Abgang Sommers seien bereits geregelt, erklärte Winkhaus, Einzelheiten nannte er allerdings nicht. Dafür äußerte sich der Bundesfinanzminister zu dem Thema: Eine Abfindung für den zurückgetretenen Telekom-Chef Ron Sommer wird es nicht geben, meinte Eichel. Allerdings werde er entsprechend seinem Vertrag Gehalt bis zum Jahr 2005 beziehen, sagte der Bundesfinanzminister am Dienstagabend vor der Presse in Berlin. Sommers Jahresgehalt beläuft sich auf 2,5 Millionen Euro.

Winkhaus betonte, Sihler werde gemeinsam mit ihm nach einem neuen Konzernchef suchen. In den vergangenen Tagen sollen zahlreiche namhafte Manager den Chefposten bei der Telekom abgelehnt haben. Auch Namen wie der frühere VW-Chef Ferdinand Piech oder der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser wurden ins Gespräch gebracht.

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