Elektroautos: Bundesregierung beschließt Ladesäulenpflicht für Tankstellen

Größere Tankstellen-Ketten müssen bis Anfang 2028 eine Schnelllade-Infrastruktur errichten. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen.

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Schnellladestation von Aral in Gelsenkirchen.​

Schnellladestation von Aral in Gelsenkirchen.

(Bild: Aral)

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Tankstellenunternehmen mit mindestens 200 öffentlichen Standorten sollen spätestens ab Anfang 2028 je Tankstelle mindestens einen Ladepunkt für Elektroautos mit einer Leistung von mindestens 150 kW betreiben. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) hervor, mit dem das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz geändert wird. Das Bundeskabinett hat es am heutigen Mittwoch auf den Weg zum Bundestag gebracht.

Von der Gesetzesänderung werden etwas ein Dutzend Unternehmen betroffen sein. Die großen Tankstellenbetreiber haben bereits aus eigenem Antrieb begonnen, Standorte mit Ladesäulen zu bestücken. Diese würden bei der Verpflichtung berücksichtigt, erläuterte das BMDV im Februar 2024 gegenüber heise online, als das Gesetzesvorhaben bekannt wurde.

Ein betroffenes Unternehmen darf die Vorgaben für höchstens 50 Prozent seiner Tankstellen abweichend umsetzen und einen Schnellladepunkt entweder an einem Standort in einem Umkreis von 1000 Metern oder zusätzlich an einer anderen Tankstelle errichten. Örtliche Gegebenheiten würden dabei berücksichtigt. Zudem soll eine Härtefallregelung greifen, wenn es zu wirtschaftlich unzumutbaren Belastungen kommen sollte.

Marktführer Aral, der nach Angaben des Energie-Informationsdiensts (EID) Ende 2022 in Deutschland gut 2200 der insgesamt 14.000 Tankstellen in Deutschland betrieb, hatte im September vorigen Jahres beispielsweise angekündigt, bis 2030 rund 20.000 Ladepunkte mit mindestens 150 kW Ladeleistung einzurichten. Shell kam Ende 2022 auf knapp 2000 Tankstellen, es folgen TotalEnergies mit gut 1100, Esso mit gut 900 und Avia mit knapp 900 Tankstellen. Shell arbeitet in Sachen Ladetechnik beispielsweise mit ABB zusammen. Für Betreiber wie Classi oder Lother würde die gesetzliche Auflage nicht greifen.

Die Schnellladeinfrastruktur an Tankstellen werde zwar bereits ausgebaut, "allerdings erfolgt dieser bislang noch nicht flächendeckend und regional heterogen", heißt es zur Begründung des Gesetzentwurfs. Tankstellen stellten mit ihren verkehrsgünstigen Standorten die deutschlandweite Versorgung von Kraftfahrzeugen mit Kraftstoff sicher. Zudem würden sie im Alltag als vertraute und attraktive Anlaufstellen gelten. Durch die Gesetzesänderung rechnet das BMDV mit etwa 8000 zusätzlichen Schnelllademöglichkeiten. Den Unternehmen entstünden einmalige Kosten von 432,1 Millionen Euro und ein jährlicher Aufwand von 8 Millionen Euro.

Aral-Vorstandschef Achim Bothe lehnt die geplante Versorgungsauflage ab. "Das erinnert an Planwirtschaft und funktioniert nicht. Wir sollten uns auf Standorte konzentrieren, an denen wir das größte Potenzial für Nachfrage und Nutzung sehen. Es wird also an vielen Aral-Tankstellen und weiteren Standorten Ladepunkte geben, aber nicht jede Tankstelle braucht eine Ladesäule", sagte er.

Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Verbands en2x, in dem neben Aral-Mutter bp und Shell 30 weitere Mineralölunternehmen organisiert sind, sagte der dpa, die Tankstellengesellschaften seien beim Aufbau der Ladeinfrastruktur mit vollem Engagement dabei. "Seit Jahren halten sie mit dem bundesweiten Aufbautempo Schritt. Und sie bauen da, wo es am sinnvollsten für E-Autofahrer ist: nicht nur an Tankstellen, sondern auch an Supermärkten, am Straßenrand, zu Hause und am Arbeitsplatz."

Küchen bezeichnete einen Ladesäulenzwang an Tankstellen als "reine Symbolpolitik". "Im besten Fall führt er nur zu mehr Bürokratie, im schlimmsten Fall wäre er dazu noch klimaschädlich. Denn dann müssen teure Schnellladesäulen an Standorten aufgestellt werden, an denen es absehbar nur wenig Nachfrage nach Ladestrom gibt. Dafür werden bessere Standorte vernachlässigt, da man jeden Euro nur einmal ausgeben kann."

Nach Angaben des Verbands befindet sich schon heute bei zwei Dritteln aller Tankstellen in Deutschland eine Schnellladesäule im Umkreis von 5 Kilometern. An rund 370 Autobahnrastanlagen, nahezu 90 Prozent aller Standorte, stünden 1400 Schnellladepunkte zur Verfügung. Es werde also gar nicht unbedingt eine Ladesäule an quasi jeder größeren Tankstellenkette in Deutschland gebraucht. Im Gesetzentwurf hingegen heißt es: "Mit Stand März 2024 befinden sich erst an rund 7 Prozent der Tankstellen in Deutschland Schnellladepunkte mit einer Ladeleistung von mindestens 150 Kilowatt."

Für den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, stellt die geplante Versorgungsauflage für Tankstellen einen wichtigen Baustein dar, da die Flächen für Ladeinfrastruktur bereits erschlossen und verkehrlich günstig gelegen seien. Ausnahmen für die Betreiber müssten klar begrenzt sein. "Ländliche und womöglich weniger lukrative Standorte dürfen daher nicht in hohem Maße durch Ladepunkte in Ballungsräumen ersetzt werden können." Es reiche nicht aus, wenn nur an den Hauptverkehrsachsen und in Ballungsräumen Schnellladepunkte entstehen.

Für den ADAC ist die Versorgungsauflage zwar "ein starker Eingriff in den Markt". Aber es seien viele Flexibilitäten vorgesehen, sodass die gesetzliche Vorgabe vertretbar sei. Aus Verbrauchersicht eigneten sich Tankstellen als Ort für schnelles Laden besonders gut.

Die Bundesregierung strebt an, dass bis zum Jahr 2030 in Deutschland 15 Millionen Elektroautos zugelassen sind. Zum Jahresanfang 2024 waren es nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts rund 1,4 Millionen. Nach Angaben des BMDV waren im April 2024 von rund 115.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten knapp 22.000 Schnellladepunkte.

(anw)