Fiscus GmbH steht vor "stiller Liquidierung"

Der staatseigene Dienstleister für die Finanzbehörden steht vor dem endgültigen Aus. Morgen tagen die Gesellschafter -- der Bund und 15 Länder -- in Berlin. Zur Wahl stehen Liquidierung oder Insolvenz.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Der staatseigene Dienstleister für die Finanzbehörden, die in Bonn ansässige Fiscus GmbH, steht endgültig vor dem Aus. Gegenüber heise online bestätigte der Fiscus-Aufsichtsratsvorsitzende, der Bremer Senatsdirektor Jürgen Albers, dass am morgigen Freitag, dem 16. September, eine Versammlung der Fiscus-Gesellschafter in Berlin stattfindet. Nach Informationen aus Regierungskreisen geht es dann nur noch um die Alternative, ob die Fiscus GmbH in die Insolvenz geht oder ob eine so genannte "stille Liquidierung" des Unternehmens beschlossen wird.

Die "stille Liquidierung" bevorzugen die Gesellschafter der GmbH, deren Kreis aus der Bundesrepublik Deutschland und 15 Bundesländern -- nämlich allen außer Bayern -- besteht. Offenbar beabsichtigen die Gesellschafter, das Unternehmen sozialverträglich abzuwickeln. Sowohl Regierungs- als auch unternehmensnahe Kreise gehen davon aus, dass den rund 150 Mitarbeitern mit Wirkung zum 31. März 2006 gekündigt wird. Die rund 40 Fiscus-Mitarbeiter, die Beamtenstatus haben, besitzen ein Rückkehrrecht in ihre Dienststelle. Rund 100 Angestellte, zumeist IT-Experten, können auf Arbeitsangebote aus den Finanzbehörden hoffen -- die wegen der föderalen Organisation der Steuerverwaltung allerdings mit der Bereitschaft zum Ortswechsel verbunden sein werden.

Aus Sicht der Gesellschafter ist die Liquidierung des Unternehmens gegenüber der Insolvenz zu bevorzugen, erklärte ein Mitarbeiter eines Finanzministeriums gegenüber heise online: Zwar könnten die Gesellschafter der Fiscus GmbH zwar den Geldhahn zudrehen, was ein Insolvenzverfahren nach sich ziehen dürfte. Wäre jedoch erst ein Insolvenzverwalter bestellt, gäben die Gesellschafter ihre Entscheidungsgewalt über die weiteren Aktivitäten der Firma aus der Hand.

Noch Ende August hatte das Fiscus-Management versucht, in einem so genannten Management buy-out das Unternehmen selbst zu kaufen. Dieser Versuch ist jedoch nach Informationen von heise online an EU-rechtlichen Bestimmungen gescheitert. Demnach dürfen staatliche Eigentümer für die Veräußerung eines Unternehmens nicht mehr Geld aufwenden als für deren Abwicklung. Im Fall der Fiscus GmbH hätten die Investoren, die den Management buy-out finanziell absichern wollten, zusätzlich zur Firma eine Zahlung der öffentlichen Hand von rund 15 Millionen Euro verlangt. Demgegenüber werden die Kosten für die Unternehmensabwicklung mit rund 10 Millionen Euro veranschlagt.

Der morgigen Gesellschafterversammlung ging ein einstimmiger Beschluss der Finanzministerkonferenz (FMK) der Kassenwarte des Bundes und der 15 Länder vom 19. Juli 2005 voraus, der Fiscus GmbH ein Ende zu setzen. Schon im vorigen Jahr hatte der Bundesfinanzminister mit Ausstieg aus dem Bund-Länder-Projekt gedroht. Kenner der aufwendigen, da föderal strukturierten deutschen Finanzverwaltung attestieren der 2001 gegründeten Bonner Firma zwar hohe IT-Kompetenz, doch habe sie zu wenige Experten anwerben können, die in der Lage gewesen wären, Vorgaben der Steuerverwaltung in IT-taugliche Spezifikationen übersetzen zu können.

Zudem heißt es, dass Bayern, das als einziges Bundesland nie Fiscus-Gesellschafter war, die Steuer-IT des Freistaats auf eigene Faust und zum Teil gegenläufig zu den Fiscus-Projekten entwickelt habe. Nunmehr hat sich die FMK nach Angaben aus Regierungskreisen darauf verständigt, dass die fünf größten Bundesländer -- neben Bayern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Hessen -- bundesweit verwendbare IT-Applikationen für den Fiskus entwickeln und den kleineren Ländern zugänglich machen. Nach unbestätigten Schätzungen entgehen den deutschen öffentlichen Haushalten jährlich allein 20 Milliarden Euro durch Betrügereien mit der Umsatzsteuer. Wird diese in einem anderen Bundesland als Vorsteuer geltend gemacht, haben die Finanzbeamten wenig Chancen, einen Schwindel aufzudecken, da die bestehenden Dateien kaum einen Abgleich mit Umsatzsteuerdateien der anderen Bundesländer zulassen.

Zum Ärger des Fiskus mit der Fiscus GmbH siehe auch: (ssu)