Gericht hört Klagen von Bürgerrechtlern gegen NSA-Spitzelprogramm
Die NSA will die Klage gegen die Internet- und Telefonüberwachung durch den Geheimdienst wegen Geheimhaltungspflicht bei Belangen der inneren Sicherheit abweisen lassen.
Vor einem Gericht in Michigan hatte die American Civil Liberties Union (ACLU) am gestrigen Montag erstmals Gelegenheit, die nach Meinung der US-Bürgerrechtsorganisation verfassungswidrige Natur des Spitzelprogramms der National Security Agency (NSA) darzulegen. Die NSA hat auf Anweisung von US-Präsident George Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im großen Stil Kommunikationsvorgänge von US-Bürgern belauscht, ohne dafür einen gerichtlichen Beschluss zu erwirken. Die ACLU klagt, weil sie die Ende vergangenen Jahres bekannt gewordene Spitzelpraxis für verfassungswidrig hält.
"Nach der Verfassung kann sich niemand über das Gesetz stellen, auch der Präsident nicht", sagte ACLU-Anwältin Ann Beeson. "Das Argument, es stehe allein dem Präsidenten zu, die Bespitzelung von Amerikanern ohne Gerichtsbeschluss zu veranlassen, ist in höchstem Maße unamerikanisch und widersprecht fundamental den Vorstellungen der Gründer unserer Demokratie."Die Vertreter der NSA argumentierten demgegenüber, die verfassungsrechtliche Argumentation und Auslegung der Gewaltenkontrolle der ACLU sei zu "extrem".
Die ACLU hat im Januar Klage gegen die NSA eingereicht und parallel dazu versucht, die Federal Communications Commission (FCC) und die in vielen Bundesstaaten für die Telekommunikation zuständigen Aufsichtsbehörden zu einer Untersuchung der Vorgänge bei den Telekommunikationsunternehmen anzustoßen. Für einzelne Bundesstaaten liegen bereits Antworten von AT&T und auch Verizon vor, die sich aber allesamt auf die Geheimhaltungspflichten berufen und betonen, die Weitergabe von Daten an die Behörde erfolge allein auf der Grundlage der Gesetze.
Auch bei der nun verhandelten Hauptklage gegen die NSA macht diese die Geheimhaltungspflicht geltend und will bei der für 23. Juni angesetzten zweiten Verhandlung ihren Antrag durchbringen, das Verfahren einzustellen. "Die Regierung hat heute das Orwell-Argument wiederholt, dass die nationale Sicherheit jedem Richter verwehre, die Rechtmäßigkeit des NSA-Programms zu überprüfen", kommentierte Anthony D. Romero, Geschäftsführender Direktor der ACLU. Das Spitzelprogramm sei damit jeglicher Kontrolle durch die im Rechtsstaat vorgesehenen Organe entzogen. Das bedeute aber auch, betont Romero, dass neben der E-Mail oder dem Telefonanruf auch die Wohnung oder das Unternehmen von Amerikanern vor dem unkontrollierten Zugriff durch staatliche Spitzel nicht mehr sicher sei.
Im US-Kongress wird gleichzeitig über mehrere Gesetzentwürfe diskutiert, die Kompetenzen und Kontrollmöglichkeiten für die Überwachungstätigkeit neu festzurren sollen. Bürgerrechtsorganisationen warnen davor, dass mit einem vom Chef des Justizausschusses des US-Senats, Arlen Specter, Ende vergangener Woche vorgelegten Entwurf die NSA-Spitzelpraxis legalisiert werden könnte. US-Medien berichteten, ein Teil der Gesetzesvorhaben bestehe in einer Blanko-Amnestie für jedermann, der Überwachungen ohne Gerichtsbeschluss veranlasst habe. Damit würde die ACLU-Klage ins Leere laufen.
Siehe dazu auch:
- BellSouth wehrt sich gegen Zeitungsbericht zu NSA-Überwachungsmaßnahmen
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- NSA setzt offenbar soziale Netzwerkanalyse ein in Technology Review online
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(Monika Ermert) / (jk)