Grüner Wasserstoff: FAQ zu dem Energie- und Hoffnungsträger der Regierung

Seite 2: Wie viel Wasserstoff braucht Deutschland?

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Für das Jahr 2030 geht die Wasserstoffstrategie von einem Bedarf von etwa 90 bis 110 Terawattstunden in Deutschland aus. Davon sollten den bisherigen Planungen zufolge bis zu 14 Terawattstunden durch neue Elektrolyseanlagen in Deutschland produziert werden. Der überwiegende Teil der Wasserstoffnachfrage werde aber importiert werden müssen. Die Annahmen dürften sich aber ändern: Noch in diesem Jahr plant die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag ein "ambitioniertes Update" der Strategie. Schon im Koalitionsvertrag wurde die bis 2030 im Inland geplante Erzeugungskapazität im Vergleich zur NWS verdoppelt.

Die Bundesregierung setzt unter anderem auf internationale Kooperationen – etwa mit Australien und Afrika, also Regionen mit reichlich Sonnenschein. Für Westafrika wurde bereits ein sogenannter Potenzialatlas zusammengestellt. Ein Ergebnis: Mit Solarstrom erzeugter Wasserstoff lässt sich in Nordafrika deutlich günstiger herstellen als in Deutschland.

Auch deutsche Unternehmen arbeiten längst an Versorgungsnetzen, um in einigen Jahren klimaneutral hergestellten Wasserstoff und Wasserstoffverbindungen wie Ammoniak nach Deutschland zu holen. Vereinbarungen mit einem australischen Unternehmen haben etwa der Energiekonzern Eon und der Chemiekonzern Covestro geschlossen. Am Dienstag wurde bekannt, dass Eon und der Energiekonzern Uniper grünen Wasserstoff aus Kanada beziehen wollen. Er soll in Ammoniak gebunden nach Deutschland kommen.

Das ist die Idee. Neue Gaskraftwerke sollen daher schon jetzt "H2-ready" gebaut werden, also mit der Möglichkeit, dort später Wasserstoff zu verbrennen. Sie sollen die Stromversorgung gewährleisten, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Bislang war Erdgas als Brücke gedacht. "Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar", heißt es noch im Koalitionsvertrag. Wie sich die Gaskrise vor dem Hintergrund des russischen Krieges gegen die Ukraine auswirken wird, ist offen. "Der ganze Krieg beschleunigt jetzt auch die grüne Wasserstoffagenda", sagte Klimastaatssekretär Patrick Graichen schon Mitte März.

Wo der Wasserstoff nicht direkt etwa neben einer Elektrolyseanlage in einem Chemiewerk verwendet wird, soll er über Leitungen zu den Kunden gepumpt werden. Die Gas-Fernleitungsnetzbetreiber haben längst mit entsprechenden Planungen begonnen. So soll das sogenannte H2-Netz im Jahre 2030 in Deutschland rund 5100 Kilometer lang sein. Dabei basieren rund 3700 Leitungskilometer auf bereits bestehenden, umgestellten Erdgasleitungen. Teuer wird es trotzdem: Die Investitionskosten bis dahin werden auf etwa sechs Milliarden Euro geschätzt.

Der ehrgeizige Plan ist für Wirtschaft und Politik eine gewaltige Herausforderung. Denn für viele der gedachten Anwendungen müssen Lösungen, die im großen Maßstab umsetzbar sind, erst noch entwickelt werden. Zudem ist grüner Wasserstoff bei Weitem noch nicht in ausreichenden Mengen zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar. Und schließlich müssen erst die Verteilnetze entstehen, in denen die riesigen Mengen dorthin transportiert werden, wo sie gebraucht werden. "Wir versuchen etwas, was nie da gewesen ist, nämlich gleichzeitig eine Nachfrage, eine Infrastruktur und ein Angebot hochzufahren", fasste Falko Ueckerdt vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung die Aufgabe einmal zusammen.

Um sie zu schultern, hat der Bund Ende Mai 2021 ein milliardenschweres Förderpaket im Rahmen des Programms "Important Projects of Common European Interest" speziell für Wasserstoff geschnürt. Es umfasst 62 Großprojekte, die sich um die gesamte Wertschöpfungskette beim grünen Wasserstoff drehen: Die Stahl-, Chemie- und Autoindustrie kommt dabei vor, aber auch Elektrolyseure.

(fpi)