Hintergrund: Telekom-Chef Sihler zieht die Zügel an

Das von Interims-Chef Helmut Sihler angekündigte Sparprogramm bei der Telekom zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung gewinnt allmählich Konturen.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Telekom-Chef Helmut Sihler ist kein Zauderer. Es werde keine heiligen Kühe geben, kündigte er vor wenigen Wochen angesichts der drückenden Schuldenlast und des dramatischen Verfalls der T-Aktie an. Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Bis 2005 muss sich im Schnitt jeder fünfte Beschäftigte des größten Telekom-Konzerns Europas einen neuen Arbeitgeber suchen. Rund 50.000 Arbeitsplätze von derzeit 255.000 stehen auf der Streichliste, knapp 40.000 Stellen sollen allein in Deutschland in allen Unternehmenssparten wegfallen.

Am stärksten betroffen ist die Festnetzsparte T-Com, deren Gewinne 2001 stark eingebrochen waren. Erstmals werden auch Arbeitsplätze in den Wachstumssparten T-Mobile und T-Systems dem Rotstift zum Opfer fallen. Der stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Telekom, Rainer Röll, ist entsetzt: "Die Beschäftigten halten die geplanten Stellenkürzungen für völlig überzogen und lehnen sie entschieden ab." Und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kündigte für die kommende Aufsichtsratssitzung am 30. Oktober scharfen Widerstand an.

Nach Ansicht der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Düsseldorf rächt sich nun die beschlossene Tariferhöhung für die Telekom-Beschäftigten. Die Höhe des Stellenabbaus sei sicher auf den Tarifabschluss zurückzuführen, der noch unter Ex-Telekom-Chef Ron Sommer geschlossen wurde, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Hocker. "So schmerzhaft die Entscheidung für die betroffenen Arbeitnehmer ist, wurde es höchste Zeit, dass die angekündigten Sparmaßnahmen aktiv angegangen werden."

Und so gewinnt das von Sihler angekündigte Sparprogramm zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung allmählich Konturen. Der Telekom-Vorstand steht unter dem Druck, den Kapitalmärkten endlich Erfolge zu präsentieren. Dabei hat Sihler, der auch noch einen Nachfolger für den Vorstandsvorsitz finden muss, den Schuldenabbau zur obersten Handlungsmaxime erklärt. Gegenwärtig steht der rosa Riese bei seinen Geldgebern mit 64 Milliarden Euro in der Kreide. Ende 2003 sollen die Schulden auf 50 Milliarden Euro gedrückt werden.

Nach den bisherigen Einsparplänen kann die Telekom ihre Nettoverschuldung aus der freien Liquidität (Cash Flow) mit Erlösen aus Immobilienverkäufen und der Abgabe des Kabelnetzes bis Ende 2003 auf 54 Milliarden bis 57 Milliarden Euro verringern. "Wir müssen daher zusätzliche Maßnahmen in Höhe von 4 Milliarden bis 7 Milliarden Euro identifizieren", sagt Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick. Wie sich der drastische Arbeitsplatzabbau in Euro und Cent ausdrückt, darüber hüllt sich die Telekom in Schweigen. Bislang war von Einsparungen in einer Größenordnung von 400 Millionen Euro jährlich die Rede. Sihler und sein Vorstandsteam, meinen Branchenkenner, müssen sich noch etwas einfallen lassen, um das Ziel beim Schuldenabbau zu erreichen.

Einnahmen aus dem mehrfach verschobenen und inzwischen auf Eis gelegten Börsengang von T-Mobile hat der Vorstand schon längst nicht mehr auf der Rechnung. Auch beim Verkauf des TV-Kabelnetzes, der im vergangenen Jahr noch eine Summe von 5,5 Milliarden Euro in die Konzernkasse gespült hätte, wenn das Kartellamt nicht eingeschritten wäre, wird die Telekom Federn lassen. Dass der Bonner Riese die Axt ans Kerngeschäft anlegen wird, um den Abbau der Schulden voranzutreiben, ist nach Ansicht von Analysten so gut wie sicher. Kandidat Nummer eins ist dabei die US- Mobilfunktochter VoiceStream. Ein vollständiger Rückzug aus den USA wäre aber die bitterste Lösung für Vorstand und Aufsichtsrat und zugleich das Eingeständnis einer verfehlten Expansion. (Peter Lessmann, dpa) / (jk)