LKW-Maut: Aus eins mach drei

Zum Jahreswechsel jährt sich der Einspruch der EU gegen die deutsche LKW-Maut: Damals befürchetete man, der sehr frühe Start eines satellitengestützten Mautsystems verhelfe der deutschen Wirtschaft zur marktbeherrschenden Stellung.

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Von
  • Detlef Borchers

Zum Jahreswechsel jährt sich der Einspruch der spanischen EU-Kommissarin Loyola de Palacio gegen die deutsche LKW-Maut: Vor einem Jahr befürchtete man, dass der sehr frühe Start eines satellitengestützten Mautsystems der deutschen Wirtschaft um die Marktgrößen Deutsche Telekom und DaimlerChrysler eine marktbeherrschende Stellung im Wettbewerb der Mautsysteme bescheren würde. Diese Befürchtung hat sich inzwischen gelegt, weil die Maut nicht gestartet werden konnte.

Im Gerangel um den Start der Maut bietet das Betreiberkonsortium Toll Collect dem Verkehrsministerium nach einem Bericht der Financial Times Deutschland drei verschiedene Starttermine an. Eine abgespeckte Version könnte im dritten Quartal 2004 starten, die normale Version im vierten Quartal. Eine aufwendigere Variante wäre dann im ersten Quartal 2005 fällig, schreibt die Zeitung unter Berufung auf einen Brief, den Telekom-Vorstand Josef Brauner an Minister Manfred Stolpe geschrieben hatte.

Die wundersame Dreiteilung des Mautangebotes ergibt sich aus dem technischen Umstand, dass die Mautbrücken funktionieren, die in den LKWs angebrachten OBUs (On Board Units) jedoch nicht. Die abgespeckte Version der LKW-Maut würde somit allein die Strecken abrechnen, die von den Fahrzeugen zwischen den Mautbrücken zurückgelegt werden. Die Genauigkeit dieser LKW-Maut würde nach ersten Berechnungen von Experten mit einer Toleranz von ± 100 Kilometern zwar extrem ausfallen, doch würde immerhin Einnahmen mit der installierten Technik erzielt werden können, die über den Summen des heftig umstrittenen Schadensersatzes liegen. Die angedachte abgespeckte Variante würde alle von den Kontrollbrücken erkannten LKW als "Mautpreller" behandeln, über eine Abfrage beim Flensburger ZEVIS beziehungsweise beim europäischen EUCARIS die Halter ermitteln und alsdann Maut-Rechnungen erstellen. Das Verfahren, das datenschutzrechtlich nicht unbedenklich ist, bedarf der Zustimmung durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Nach einem Bericht des Spiegel ist die Flensburger Behörde zuversichtlich, dass die KBA-Rechner die zusätzlichen Belastungen problemlos bewältigen können.

Die normale Variante der deutschen LKW-Maut unter Einbeziehung funktionierender OBUs und das aufwendigere System, bei dem neben der Maut-Abrechnung noch Telematik-Daten über einen Telematics Gateway in die Flottenmanagement-Programme der Speditionen eingepflegt werden können, würden das ungenaue Maut-System nahtlos ablösen können. Mit der leicht zweckentfremdeten Nutzung der Kontrollbrücken als Mautbrücken würde die abgespeckte Version der LKW-Maut noch hinter das österreichische System zurückfallen, das in zwei Tagen starten soll. Dieses System arbeitet mit Mautbrücken und billigen Transpondern für die Identifizierung der mautpflichtigen Busse und LKW. Nach Auskunft des Betreibers ASFINAG liegt beim Countdown für den Mautstart "alles im Plan", doch gibt es auch Kritik. So berichtet die Wiener Zeitung, dass erst etwa 170.000 Einheiten der österreichischen OBU verkauft sein sollen, jedoch insgesamt 400.000 benötigt werden. Der erwartete Ansturm auf die 320 Vertriebsstellen könne das System zum Stocken bringen, denn "jeder Verkauf entspricht einer Kontoeröffnung mit allen Überprüfungen von Zahlungsfähigkeit oder Verrechnungsmöglichkeiten", heißt es im Bericht der Zeitung.

Deutsche Verkehrsexperten blicken dennoch gespannt nach Österreich, weil das dortige von der italienischen Firma Autostrade konzipierte System in den anstehenden Verhandlungen mit Toll Collect die Rolle eines Jokers spielt. So hatte sich unlängst Autostrade-Geschäftsführer Giovanni Castellucci zu Wort gemeldet und der deutschen Regierung einen Start "seiner" LKW-Maut für Mitte 2004 garantiert, wenn man Autostrade Anfang Januar den Zuschlag erteile. Nach ersten Berechnungen müsste Autostrade mindestens 3800 Mautbrücken erreichten, um das 12.000 Kilometer umfassende BAB-Netz ausreichend abdecken zu können.

Zu den Hintergründen der Mauteinführung in Deutschland, ihrer technische Umsetzung und möglichen Datenschutzproblemen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)