Ministerpräsidenten beraten Online-Grenzen für ARD und ZDF

Am morgigen Donnerstag kommen in Berlin die Ministerpräsidenten der Länder zusammen, um über einen Entwurf für den neuen Rundfunkstaatsvertrag zu beraten. Der soll die Online-Pläne der öffentlich-rechtlichen Sender begrenzen.

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An bitteren Vorwürfen und Unterstellungen ist diese Debatte wirklich nicht arm. Im Streit um die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Sender im Netz orchestrieren die verfeindeten Lager eine beispiellose Medienschlacht. Sie können das so einfach, weil sie die Medien sind: ARD und ZDF auf der einen, Privatsender und Printbranche auf der anderen Seite. Beiden geht es dabei, irgendwie, auch um die Medienkonsumenten – Zuschauer, Leser, Internetnutzer. Doch können die derzeit kaum einem Bericht trauen, der zu dieser brisanten medienpolitischen Frage erscheint.

Am morgigen Donnerstag beraten die Ministerpräsidenten der Bundesländer über den Entwurf für einen neuen, zwölften Rundfunkstaatsvertrag, der ab 2009 das öffentlich-rechtliche Online-Gewese regeln soll – neben allem anderen, was in unserem dualen Rundfunksystem zu regeln ist. Zuvor hatten die Referenten mit den Interessenvertretern der betroffenen Branchen um jede Formulierung in dem Entwurf gefeilscht. Nicht immer sorgt das für die von der EU-Kommission gewünschte Klarheit. Dabei soll der neue Staatsvertrag den öffentlich-rechtlichen Auftrag klar definieren, hatte EU-Medienkommissarin Viviane Reding zuletzt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betont.

Mit welcher Verbissenheit die Debatte um den Staatsvertrag geführt wird, zeigen die von beiden Seiten entworfenen Horrorszenarien. Ins "mediale Mittelalter" sehen sich die ARD und ZDF zurückgebombt, da ist von "Zensur" die Rede, der Justiziar des ZDF witterte hinter den Vorgängen gar so etwas wie einen medienpolitischen Morgenthau-Plan. Der nach dem ehemaligen US-Finanzminister Henry Morgenthau benannte Plan sah vor, nach einem Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg das Deutsche Reich aufzuteilen und weitgehend zu de-industrialisieren.

Auf der Gegenseite fahren die Verleger schwere Geschütze auf: Durch die "Enteignung der freien Presse" (FAZ) drohe Ende der Pressefreiheit im Netz, während der "mächtige Freundeskreis" (Spiegel) von ARD und ZDF schon das "GEZ-Netz" vorbereite. Unter dem Trommelfeuer der Öffentlich-Rechtlichen und der Verlage – wobei beide Seiten die journalistischen Anstandsregeln stellenweise ziemlich dehnen – geht ein weiterer Beteiligter fast unter. Denn auch die privaten Rundfunkanbieter haben noch ein Eisen im Feuer. Schließlich regelt der Rundfunkstaatsvertrag vor allem auch ihre Existenz.

Weshalb die ganze Aufregung? "Nicht sendungsbezogene Angebote elektronischer Presse sind unzulässig", heißt es in dem Entwurf. Bei den Verlegern besonders umstritten ist die Frage, was "elektronische Presse" eigentlich ist. Der Teufel steckt hier im Detail, nämlich der an anderer Stelle im Entwurf vorgenommenen Definition: "journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote aus Text und Bild, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen". Für die Verleger ist das eine "realitätsfern enge Definition".

Denn nach Auslegung des Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bedeutet das einerseits, dass ARD und ZDF im Netz künftig alles machen dürfen, außer eine Art öffentlicher-rechtlicher Zeitung etwa als PDF-Datei oder E-Paper anzubieten. Die geplante Beschränkung laufe damit ins Leere, sogar sendungsunabhängige Berichterstattung werde den Öffentlich-Rechtlichen damit faktisch gestattet. Andererseits bedeute diese Definition, das die meisten Online-Angebote der Verlage, die "nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften" eben nicht entsprechen – wie die meisten Online-Angebote von Zeitschriften und Zeitungen, die nicht als ePaper einfach nur die elektronische Version der Printausgaben sind –, laut Rundfunkstaatsvertrag auch keine Presse sind. Damit gerate die Pressefreiheit der Online-Medien unmittelbar in Gefahr. Für den VDZ ist das "völlig inakzeptabel".

Die Verleger wittern darüber hinaus Bestrebungen, Onlinemedien an die politische Kandarre zu nehmen. Da für viele Politiker und Juristen das Internet immer noch als "Rundfunk" gilt, drohe die Gefahr, das Netz als dritte Säule im deutschen Mediensystem zu verankern und damit der Aufsicht der Landesmedienanstalten auszuliefern. Eine solche Ausweitung des dualen Systems wollen auch die Privatsender verhindern, die sich ansonsten mit Brachialrhetorik weitgehend zurückhalten. Sie wollen unter anderem den Bestrebungen, die maximale Anzahl der öffentlich-rechtlichen Radiosender auf 128 zu verdoppeln, einen Riegel vorschieben. In der Netzfrage sind auch die Privaten für klare Grenzen: keine sendungsunabhängigen Angebote von ARD und ZDF.

So steht es auch in dem aktuellen Entwurf, mit dem sich die Ministerpräsidenten der Länder morgen befassen müssen. Bis zu sieben Tage nach Sendung sollen die Öffentlich-Rechtlichen dem Entwurf zufolge ihre sendungsbezogenen Angebote online haben dürfen. Nicht sendungsbezogene Angebote sollen einem so genannten Public-Value-Test unterzogen werden. Damit wollen die Medienpolitiker sicherstellen, dass ARD und ZDF ihrem Auftrag gerecht werden. Prüfen wollen das die Sender selbst. Die Privaten sind inzwischen bereit, diese Aufsicht auch den Gremien der Rundfunkanstalten zu überlassen, wollen dabei aber zumindest gehört werden. Darüber hinaus soll den Öffentlich-Rechtlichen gestattet werden, "zeitlich unbefristete Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten" anzubieten. Dieses Korsett ist ARD und ZDF allerdings noch zu eng. Sie fürchten, vom Zukunftsmedium Internet abgekoppelt zu werden.

Den Entwurf, so wie er morgen vorgelegt werden soll, findet also niemand gut. Unklar ist, wie sich die Ministerpräsidenten morgen entscheiden. Während der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Chef Kurt Beck sich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder – und offenbar in weitgehender Unkenntnis der deutschen Internetlandschaft – für öffentlich-rechtliche "Inseln der Qualität" im Netz aussprach, rückten einige Ministerpräsidenten bereits von dem Entwurf ab. Der Bayer Günther Beckstein (CSU) sieht keinen Bedarf für eine öffentlich-rechtliche Online-Presse. Christian Wulff (CDU) aus Niedersachsen äußerte ebenso Zweifel an dem Entwurf. Und der Schwabe Günter Oettinger (CDU) sagte der FAZ: "Die öffentlich-rechtliche Onlinepresse wird mit Sicherheit nicht genehmigungsfähig sein."

Was bei der Sitzung schließlich herauskommt, ist schwer zu sagen. Die Ministerpräsidenten müssen im Spannungsfeld zwischen wettbewerbsrechtlicher Bedenken der EU-Kommission und der verfassungsrechtlichen Bestandsgarantie für ARD und ZDF entscheiden. Doch könnte das schon vernehmbare Säbelrasseln aus Brüssel auch die skeptischen Ministerpräsidenten zu einer Trotzreaktion bringen. Nehmen sie den Entwurf an, riskieren sie neuen Ärger mit EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Daher könnten sie auch erst einmal vorfühlen wollen, wie ihre Entscheidung in Brüssel ankommen würde. Um da auf keiner Seite anzuecken, müssen die Regierungschefs schon ganz schön geschmeidig sein.

Siehe dazu auch:

(vbr)