Fahrgastverband Pro Bahn: mindestens eine reaktivierte Bahnstrecke pro Jahr

Bis 2030 sollen die Fahrgastzahlen im Nahverkehr in Niedersachsen verdoppelt werden. Ein Teil davon könnte auf reaktivierte Bahnstrecken zurückzuführen sein.

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(Bild: PICTOR PICTURE COMPANY/Shutterstock.com)

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  • dpa
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Mindestens eine alte Bahnstrecke pro Jahr sollte in Niedersachsen nach Ansicht des Fahrgastverbands Pro Bahn reaktiviert werden. Dazu brauche es zusätzliche Planungskapazitäten und mehr Geld, um die Infrastruktur auszubauen und langfristig Züge zu bestellen, teilte der Landesverband auf dpa-Anfrage mit. Keinesfalls dürfe für eine reaktivierte Strecke ein anderer Zug gestrichen werden. Die Planungen für Reaktivierungen dauern allerdings oft länger und auch die Kosten wollen beachtet werden.

Am Donnerstag wird im niedersächsischen Landtag ein Antrag der beiden Regierungsfraktionen SPD und Grünen debattiert, der sich mit einem neuen Reaktivierungsprogramm von Bahnstrecken befasst. Laut Verkehrsministerium wird die Landesregierung im Frühjahr ein solches Programm auf den Weg bringen. Ziel sei es, landesweit infrage kommende Verbindungen für eine Reaktivierung zu ermitteln und Voraussetzungen für die Bundesförderung zu schaffen.

Laut Ministerium wurde 2018 die Strecke zwischen Einbeck-Mitte und Einbeck-Salzderhelden reaktiviert und 2019 die Verbindung zwischen Bad Bentheim und Neuenhaus. Erstere ist allerdings nur wenige Kilometer lang. Zwischen Bad Bentheim und Neuenhaus dauert die Zugfahrt rund eine halbe Stunde. Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) sagte auf Anfrage: "Für eine echte Mobilitätswende müssen wir das Angebot an Bus- und Schienenverkehren deutlich verbessern. Das gilt insbesondere für den ländlicheren Raum von Niedersachsen."

Eine Strecke könnte laut Deutscher Bahn Buchholz-Maschen-Hamburg-Harburg sein – diese wird bereits für den Güterverkehr genutzt. Hierzu seien bereits 2021 Pläne vorgestellt worden. Laut Fahrgastverband Pro Bahn befindet sich diese Strecke bereits in der Reaktivierung, wie auch die Verbindungen Salzgitter-Lebenstedt und Salzgitter-Fredenberg sowie Bad Bentheim-Coevorden (Niederlande). Wann dieser Prozess abgeschlossen ist, ist noch nicht bekannt.

Weitere neun Strecken könnten laut Verband für eine Wiederinbetriebnahme in Betracht kommen, dazu zählen etwa Verbindungen zwischen Rinteln und Stadthagen oder die Route Lüneburg-Amelinghausen-Soltau.

In Niedersachsen soll für die Reaktivierungen ein sogenannter Lenkungskreis gebildet werden. Dieser soll laut Antrag etwa aus Landtagsabgeordneten, Mitgliedern des Nahverkehrsbündnisses oder Experten bestehen. Dieser Kreis soll ein Programm zur Reaktivierung von Bahnstrecken vorbereiten. Danach folgen laut Deutscher Bahn weitere Untersuchungen oder Analysen, etwa Machbarkeitsstudien oder Analysen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Strecke – sprich, ob genug Menschen eine Strecken nutzen würden, damit sich eine hohe Investition auch lohnt. Über die Streckenreaktivierungen entscheiden am Ende Bund, Länder sowie die Aufgabenträger des Nahverkehrs und die Deutsche Bahn.

Ein solches Verfahren nimmt mehrere Jahre in Anspruch. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Wiard Siebels, sagte kürzlich, dass im Laufe der Legislaturperiode bis 2027 möglichst auf weiteren reaktivierten Strecken wieder Züge rollen sollen. Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert allerdings mehr Tempo von der Politik. Mindestens eine Strecke müsse pro Jahr reaktiviert werden. Der Verband rechnet auch mit Protesten gegen mögliche Vorhaben. Oft gehe es den Bürgerinitiativen dabei nur um eigene Interessen wie den Wert des Grundstücks, kritisierte der Verband.

Laut Deutscher Bahn sind die Kosten unter anderem abhängig vom Zustand der Strecke. "Selbst wenn die Gleise verwittert sind oder teilweise abgebaut wurden, ist die Reaktivierung von Bahnstrecken in der Regel aber günstiger als ein kompletter Neubau, wenn etwa die Trassenflächen und Bahndämme noch vorhanden sind", teilte ein Sprecher mit. Wenn die ehemalige Strecke jedoch vollständig zurückgebaut oder sogar überbaut wurde, kämen die Maßnahmen einem Neubau gleich. Üblicherweise würden die Kosten für reaktivierte Strecken zwischen rund einer Million und etwa zehn Millionen Euro pro Kilometer liegen. Das Verkehrsministerium fordert vom Bund generell mehr Geld, um Verkehrsleistungen verbessern und aufstocken zu können.

CDU-Verkehrspolitiker Jörn Schepelmann aus der Opposition begrüßte den Antrag. Für ihn sei ein Mix der Verkehrsträger wichtig. "Gerade für den ländlichen Raum sehen wir im Instrument der Reaktivierung von Bahnstrecken großes Potenzial, um strukturelle Verbesserungen der Regionen Niedersachsens zu fördern."

(kbe)