Schwächelnde Elektromobilität: "Wir haben ein massives Stammtischproblem"

Mögliche Elektroautokäufer stünden wie Kaninchen vor der Schlange, diagnostiziert ein Verleiher. Es herrsche ein Stimmungstief. Wissing ist weniger skeptisch.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1577 Kommentare lesen

Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing ist sich der Schwierigkeiten um die E-Mobilität bewusst, hält sie aber für lösbar.

(Bild: Stefan Krempl)

Lesezeit: 6 Min.

Die aktuell maue Nachfrage nach Elektroautos hierzulande ist von echten Herausforderungen der Antriebswende nicht gedeckt. Darin waren sich Experten auf der Konferenz TÜV-MobiCon in Berlin am Mittwoch einig. "Wir haben ein massives Stammtischproblem", erklärte Stefan Moeller, Geschäftsführer der E-Autoautovermietung Nextmove. Potenzielle Käufer stünden "wie Kaninchen vor der Schlange", verwies er auf ein mit dem niedrigen Absatz verknüpftes "Stimmungstief". Dazu hätten viele kleine Faktoren beigetragen. Interessierte fühlten sich etwa "von der Politik hängen gelassen", sodass diese rasch wieder positive Impulse setzen müsse.

2022 sei die E-Mobilität noch sexy gewesen, konstatierte Moeller. Dann sei der Umweltbonus über Nacht abgeschafft worden. Dieser Schritt habe zwar zur Verunsicherung im Markt geführt, sei aber überfällig gewesen. Stromer seien heute fast schon billiger als einst mit dem Zuschuss. "Die Leasingrate ist auf Ramschniveau angekommen", sagt der Insider. Die Auslastung des Ladenetzes sei zudem gering, die Kosten fürs öffentliche Stromtanken ließen sich etwa mit Abo-Angeboten drücken. An Raststätten befänden sich oft bereits 50 bis 80 Schnellladepunkte. Den Betreibern fehlten allenfalls die Flächen, hier weiter auszubauen. Vor Supermärkten könne man das Auto verstärkt während des Einkaufs laden.

Die zum Senken der CO₂-Emissionen nötige Antriebswende stocke, bedauerte auch der Präsident des TÜV-Verbands, Michael Fübi. Laut der gerade veröffentlichten Mobility-Studie 2024 der Prüforganisationen halten es 51 Prozent der Bundesbürger für unwahrscheinlich, dass sie als nächstes Fahrzeug ein Elektroauto kaufen. Nur 27 Prozent ziehen eine solche Anschaffung ernsthaft in Erwägung. Als Hemmnisse nannten die Teilnehmer der repräsentativen Umfrage – wie schon die Jahre zuvor – zu hohe Anschaffungskosten (54 Prozent) und zu geringe Reichweiten von E-Autos (51 Prozent) in Kombination mit einer unzureichenden Ladeinfrastruktur (43 Prozent).

Eine neue Hürde kommt dazu: 18 Prozent haben grundsätzliche Bedenken wegen der Sicherheit der Fahrzeuge. Ein hoher Anteil von 40 Prozent hat weniger Vertrauen in die Sicherheit von E-Autos als in die von Verbrennern. In dieser Gruppe befürchten 80 Prozent, dass es zu Problemen mit der Batterie kommen könnte. 68 Prozent sorgen sich, dass es bei Unfällen mit Stromern ein höheres Brandrisiko gibt. Fübi, der selbst bereits den Umstieg vollzogen hat, hält dagegen: "Aus technischer Sicht sind Elektroautos nicht mehr oder weniger gefährlich als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Das gilt auch für das Brandrisiko." Generell seien die Hürden für die Elektromobilität überwindbar. Schon jetzt sei zu sehen, wie die Preise runter- und die Reichweiten hochgingen.

Die Elektrifizierung sei aber auch nur ein Baustein der Mobilitätswende, meint Fübi. Nötig sei etwa auch "mehr sicherer Zweiradverkehr", was die Einrichtung weiterer Radspuren erforderlich mache und in begrenzten urbanen Flächen zulasten des Autos gehe. 58 Prozent der Bürger hält laut der Studie die Aufteilung des Verkehrsraumes in Deutschland auch für ungerecht. Benachteiligt sind aus Sicht der Befragten vor allem Radfahrer (51 Prozent) und Fußgänger (41 Prozent). Seit Jahren unverändert beklagen viele Deutsche zudem eine Überlastung der Innenstädte, Luftverschmutzung und Staus.

Bei Autovermietern sind Stromer bislang wenig gefragt. "Wir haben mehr E-Fahrzeuge in der Flotte als Nachfrage", berichtete Christian Holler, Mitglied der Geschäftsführung von Enterprise Mobility. Um das zu ändern, berate der Verleiher Unternehmen und führe Demo-Tage durch, um den E-Antrieb erfahrbar zu machen. Ein geringerer Mehrwertsteuersatz für E-Autos könnte ihm zufolge als neuer Impuls dienen. Finanzielle Anreize, etwa zur Abschaffung des Zweitfahrzeugs, wären ebenfalls empfehlenswert. Es fehlten aber auch digitale Fahrzeugscheine und ein breiter Zugang zu Daten, etwa fürs Reparatur- und Wartungsmanagement.

Deutschland sei bei der Elektrifizierung des Automobilsektors in Verzug, monierte auch Olga Nevska, Chefin von Telekom MobilitySolutions. Der Magenta-Konzern steuere bis 2030 eine komplett elektrische Flotte an. Momentan komme das Fahren eines Stromers aber einem "Heldenakt" gleich. Die Ladeinfrastruktur sei etwa in den Niederlanden deutlich besser.

"Die Antriebswende macht keine Mobilitätswende", forderte die Sprecherin des Bikesharing-Anbieters Nextbike, Mareike Rauchhaus, Flächengerechtigkeit zugunsten von Radfahrern ein. 70 Prozent der täglichen Wege seien unter 10 Kilometer lang und könnten gut auf zwei Rädern zurückgelegt werden. Wie das mit der S-Bahn kombinierte Beispiel zum E-Bike-Verleih in der Eifel zeige, sei es möglich, auch das ländliche Gebiet einzubinden. Anreize wie ein Mobilitätsbudget statt Dienstwagenprivileg seien überfällig. Da ein Auto einen Radfahrer auch "schnell umbringen" könne, müssten die Fahrer mehr Um- und Rücksicht walten lassen. In puncto Sicherheit stellte Steffan Schaffer vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) die bereits weitgehend umgesetzte Idee einer App vor, um Fahrrad-Schwärme zu bilden in Form von Ad-hoc-Netzwerken von Radlern. An diesen seien "Fressfeinde weniger interessiert".

"Das Fahrrad erlebt eine Renaissance", freute sich der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP). Dies sei mit bedingt durch die Elektrifizierung. "Wir müssen infrastrukturell reagieren", hob er hervor und verwies etwa auf Fahrrad-Parkhäuser. Das Thema E-Mobilität streifte er nur: Hier sei die Ladeplanung etwas komplexer, als nur eine Tankstelle anzufahren. Das Ladenetz werde aber weiter ausgebaut. Zum Glück gebe es zudem Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI), um etwa die Suche nach einer freien Stromtankstelle zu vereinfachen. Für Widerstände, etwa gegen das anfangs komplett digital geplante Deutschlandticket, hat der Liberale kein Verständnis: Mit der Papiervariante fehlten Bewegungs- und Auslastungsdaten, was die Digitalisierung insgesamt wieder behindere.

(olb)