Siemens-Prozess: Staatsanwälte prüfen weitere schwarze Kasse

Laut Süddeutscher Zeitung sollen bei einer Hamburger Firma bis 2003 Mittel in Millionenhöhe abgezweigt und von Siemens als Schmiergeld genutzt worden sein. Das Verfahren im München geht unterdessen in eine dreiwöchige Sommerpause.

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  • dpa

Im Siemens-Korruptionsskandal geht die Münchner Staatsanwaltschaft dem Verdacht auf eine weitere schwarze Kasse nach. Es werde geprüft, ob eine frühere Exportgesellschaft der Deutschen Bank, der Commerzbank und der Berliner Bankgesellschaft dem Konzern als schwarze Kasse gedient haben könnte, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ) am heutigen Freitag. Oberstaatsanwalt Anton Winkler bestätigte auf dpa-Anfrage, dass etwa seit einem Jahr Ermittlungen laufen. Nähere Angaben wollte er allerdings nicht machen. Laut SZ sollen bei der Firma Lincas Elektro Vertriebs-GmbH in Hamburg bis ins Jahr 2003 hinein, als die Exportgesellschaft noch den Banken gehörte, Mittel in Millionenhöhe abgezweigt und von Siemens als Schmiergeld genutzt worden sein.

Auch der Münchner Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld sagte der Zeitung, die Ermittlungen liefen noch. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die genannten Banken in die betreffenden Vorgänge involviert gewesen wären. Ein Sprecher von Siemens wollte den Bericht unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht kommentieren.

In einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München sei Lincas als "schwarze Kasse" bezeichnet worden, berichtete die Zeitung. Der Beschluss sei vorsorglich erlassen worden, um der Staatsanwaltschaft den Zugriff auf Unterlagen von Lincas zu ermöglichen. Die Firma, die heute Siemens gehört und Exporte für den Konzern abwickelt, gab die gewünschten Unterlagen aber freiwillig heraus. In der Zeit, als sich die angeblichen Gesetzesverstöße abspielten, war Siemens nach Angaben der Süddeutschen Zeitung noch nicht Eigentümer von Lincas. Die Deutsche Bank und die Commerzbank wollen sich zu dem Bericht auf Anfrage nicht äußern.

Unterdessen ging der Siemens-Prozess vor dem Landgericht München mit der Zeugenaussage einer Gutachterin des bayerischen Landeskriminalamtes am Freitag in eine dreiwöchige Sommerpause. Die Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin hatte im Auftrag der Staatsanwaltschaft dubiose Provisionszahlungen in der früheren Siemens-Festnetzsparte ICN untersucht und bestätigte in ihrer Aussage die Geldflüsse. Der Vorsitzende Richter Peter Noll bescheinigte ihr eine "unglaubliche Fleißarbeit", die noch im Nachhinein Respekt verdiene.

Angeklagt ist in dem Prozess der 57-jährige Reinhard S., der zu Prozessbeginn den Aufbau schwarzer Kassen und die Abwicklung dubioser Provisionszahlungen im früheren Siemens-Kommunikationsbereich Com eingeräumt hatte. Ihm wird Untreue in 58 Fällen zur Last gelegt. Insgesamt geht es in dem Schmiergeld-Skandal um 1,3 Milliarden Euro an fragwürdigen Zahlungen, die zur Erlangung von Aufträgen im Ausland eingesetzt worden sein sollen.

Der Prozess soll am 14. Juli mit der Befragung des früheren Telekom-Vorstandes Lothar Pauly fortgesetzt werden, der vor seinem Wechsel zur Telekom zeitweise den einstigen Kommunikationsbereich von Siemens geleitet hatte. Wegen einer möglichen Verstrickung in die Siemens-Schmiergeld-Affäre hatte Pauly vor rund einem Jahr seinen Posten als Vorstand für den Geschäftskundenbereich T-Systems bei der Telekom niedergelegt, er gilt als Beschuldigter im Siemens-Verfahren. Auf der Zeugenliste steht auch noch der frühere oberste Siemens-Korruptionswächter Albrecht Schäfer, danach werde der Prozess dann möglicherweise zum Ende kommen, sagte der Vorsitzende Richter am Freitag.

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(dpa) / (pmz)