Steuerrecht: Die Selbstanzeige kann teuer werden

Wer dem Finanzamt verschwiegene Erträge beichten will, bevor die Steuerfahndung selbst an die Tür klopft, kann das im Rahmen einer Selbstanzeige tun. Doch auch die hat ihre Tücken.

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Von
  • Marzena Sicking

Seit die Finanzbehörden mit Hilfe von gekauften Daten immer mehr Steuerhinterziehern auf die Schliche kommen, versuchen viele, den Schaden durch eine Selbstanzeige noch zu begrenzen. Entsprechend sprunghaft steigen die Zahlen der Selbstanzeigen in Deutschland an: Im ersten Halbjahr 2013 haben sich laut Umfrage der dpa bei allen Finanzämtern in der Bundesrepublik allein 14.548 Personen selbst angezeigt, so viele wie im gesamten Jahr 2012. Die Betroffenen möchten damit strafrechtliche Konsequenzen vermeiden. Doch die Selbstanzeige ist auch kein Spaziergang, wie Rechtsanwalt Dr. Mario Bergmann (Fachanwalt für Strafrecht, LL.M. Wirtschaftsstrafrecht) im Interview mit heise resale erklärt.

Die Selbstanzeige als Instrument, um einer Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung zu entgehen – das kennt die Öffentlichkeit vor allem von prominenten Fällen wie dem von Uli Hoeneß. Dabei geht es in der Regel um Millionenbeträge. Macht eine Selbstanzeige denn auch für Steuerzahler Sinn, die dem Fiskus deutlich geringere Beträge verschwiegen haben?

Dr. Mario Bergmann: In Jedem Fall. Jeder Betrag, der den Finanzbehörden nicht gemeldet ist, stellt eine vorsätzliche Steuerhinterziehung dar, die bei Entdeckung in jedem Fall zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens und mindestens zu einer Geldstrafe führt. Die Strafen sind in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Der Steuerpflichtige muss daher neben den hinterzogenen Steuern und Hinterziehungszinsen auch noch eine Geldstrafe zahlen, riskiert eine regelmäßig von Nachbarn nicht unbemerkt bleibende Durchsuchung und erhält ab einer Geldstrafe von über 90 Tagessätzen einen Eintrag im Führungszeugnis im Bundeszentralregister. Allein Letzteres kann den weiteren beruflichen Fortgang durchaus tangieren. Wer zudem sein Depot bei einem der Schweizer Kreditinstitute angelegt hat, hat außerdem – unabhängig von der dortigen Höhe des Geldbetrages – in den vergangenen Monaten eine Aufforderung bekommen, den Nachweis der Versteuerung zu führen. Anderenfalls droht das Kreditinstitut mit der Auflösung des Depots zum Ende des Jahres. Die Großbanken haben dies bereits umgesetzt. Die übrigen Kreditinstitute werden kurzfristig folgen. Dann stellt sich auch bei kleineren Werten die Frage, wohin mit einem Scheck über 50.000 Euro? Zudem belastet viele Steuerpflichtige das Thema seit Jahren psychisch, weil ihnen durchaus bewusst ist, dass jedes Jahr aufs Neue eine Steuerhinterziehung begangen wurde. Häufig ist der Ursprung gar nicht selbst gesetzt worden, weil das Depot bereits von der Eltern eingerichtet und dann vererbt oder vor dem Tode verschenkt wurde, ggf. an eine Erbengemeinschaft mit mehreren Geschwistern. Ist dann einmal der falsche Weg eingeschlagen, bleibt das häufig bis heute so.

Dr. Mario Bergmann LL.M. ist Rechtsanwalt für Wirtschaftsstrafrecht und Fachanwalt für Strafrecht. Er arbeitet in der Kanzlei Brandi Rechtsanwälte in Hannover, deren Schwerpunkt in der Beratung und forensischen Betreuung mittelständischer Unternehmen in Fragen des Wirtschaftsstrafrechts und des Wirtschafts-, insbesondere des Arbeitsrechts, des Handels- und Gesellschaftsrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes liegt.

Wer eine Selbstanzeige stellt, bevor ihm das Finanzamt auf die Schliche kommt, muss nur noch seine Steuern und Zinsen nachzahlen, ist aber ansonsten fein raus, oder?

Dr. Bergmann: Das kann man so nicht sagen, denn die Sache ist komplizierter als es im ersten Moment klingt. Es stellt sich ja zunächst die Frage, ob die Selbstanzeige wirksam gestellt wurde. In den vergangenen Jahren sind die entsprechenden Anforderungen deutlich verschärft worden. Deshalb sollte man das nie ohne einen steuerstrafrechtlich versierten Berater versuchen.

Welche typischen Probleme können denn im Rahmen einer Selbstanzeige auftauchen?

Dr. Bergmann: Viele Steuerpflichtige, die eine Selbstanzeige stellen wollen, haben das Problem, dass sie gar keine oder nur unvollständige Unterlagen über das ausländische Depot haben. Aus Angst vor Entdeckung haben sie entweder auf die jährliche Übersendung verzichtet oder die Unterlagen längst vernichtet. Ihnen fehlen Erträgnisaufstellungen und Kontoauszüge und sie können die Einkünfte also gar nicht genau ermitteln.

Das kann doch kein großes Problem sein. Schließlich kann man solche Dokumente bei der Bank nochmal anfordern.

Dr. Bergmann: Das glauben die meisten Betroffenen auch. Bis sie beim Kreditinstitut anfragen und dort in vielen Fällen die Auskunft erhalten, dass wegen der großen Zahl an Auskunftsanträgen die Zusammenstellung und Übersendung der geforderten Unterlagen mehrere Monate dauern wird. Wen die Schweizer Kreditinstitute bereits aufgefordert haben, bis Ende des Jahres die Versteuerung nachzuweisen, steht nun bald unter enormen Zeitdruck. Wer sich zudem zu einer Selbstanzeige entschließt, fürchtet meistens schon, dass ihm das Finanzamt bald auf die Schliche kommen wird, was den Druck zusätzlich erhöht. Denn die Strafanzeige muss vor der Aufdeckung durch das Finanzamt erfolgen, damit sie ihre strafbefreiende Wirkung entfalten kann.

Wie geht es in solchen Fällen weiter?

Dr. Bergmann: Soll die Selbstanzeige trotz fehlender Unterlagen abgegeben werden, muss der Berater die Einkünfte schätzen. Das ist im Rahmen der Selbstanzeige durchaus zulässig. Allerdings gelten dabei sehr strenge Regeln, so dass der Berater stets zu Lasten des Steuerpflichtigen schätzt. Das heißt, er gibt vorsichtshalber erheblich höhere Einkünfte an, als der Steuerpflichtige vermutlich erzielt hat. Die nacherklärten Einkünfte dürfen für eine wirksame Selbstanzeige nicht zu niedrig sein. Das Ziel ist natürlich, die tatsächlichen Einkünfte nach der Aufarbeitung der Depotunterlagen dem Finanzamt nachzureichen und so überhöhte Zahlungen zu vermeiden.

Wird die Tatsache, dass es sich nur um eine Schätzung handelt, berücksichtigt?

Dr. Bergmann: Obwohl der Berater das im Rahmen der Selbstanzeige dem Finanzamt mitteilt, werden häufig dennoch auf Basis der geschätzten Einkünfte Steuerbescheide erlassen. Teils mit erheblichen Nachzahlungspflichten, die im schlechtesten Fall zehn Jahre zurückreichen – zuzüglich Zinsen.

Wie können sich Betroffene dagegen wehren?

Dr. Bergmann: Betroffene Steuerpflichtige müssen auf jeden Fall bei Ablauf der Einspruchsfrist gegen diese Steuerbescheide Einspruch einlegen, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die nötigen Depotunterlagen verfügen oder diese noch nicht ausgewertet sind. Lehnt das Finanzamt den Einspruch ab, muss notfalls auch noch Klage vor dem Finanzgericht erhoben werden, um diesen Zeitraum für die Aufarbeitung der Depotunterlagen und die Konkretisierung der Einkünfte zu nutzen. Wer das versäumt, der muss mit schweren Steuerfolgen und überhöhten Forderungen rechnen, wie auch ein Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 7. Februar 2013 (Az.: 3 K 119/12) zeigt.

Was ist in diesem Fall passiert?

Dr. Bergmann: Ein Steuerpflichtiger hatte dem Finanzamt über Jahre hinweg Einkünfte verschwiegen und aus Angst vor Entdeckung sich bewusst nicht einmal über deren genaue Höhe informiert, es fehlten jegliche Nachweise. Er nahm deshalb in Kauf, dass er eine Selbstanzeige mit geschätzten Einkünften abgeben muss. Er versäumte es, gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Steuerbescheide Einspruch einzulegen und ließ sie bestandskräftig werden. Der Versuch, sie nach Ankunft der nötigen Dokumente auf Basis der nun vorliegenden Zahlen nachträglich noch ändern zu lassen, scheiterte vor Gericht. Er wird die erheblich höheren Steuern aus der Schätzung nun zahlen müssen.

Warum lassen Steuerbehörden und Finanzgerichte eine nachträgliche Änderung unter diesen Umständen denn nicht zu?

Dr. Bergmann: Weil das den Vorschriften der Abgabenordnung widersprechen würde. Demnach ist eine Änderung bestandskräftiger Bescheide zu Gunsten des Steuerpflichtigen nur möglich, wenn diesen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen trifft. Das typische Verhalten der Steuerpflichtigen in Selbstanzeigefällen – nämlich die Nichtabfrage der Erträge, der Verzicht auf beziehungsweise das Vernichten von Unterlagen und den sich daraus ergebenden Zwang zur Schätzung – werten Steuerbehörden und Finanzgerichte aber gerade als grobes Verschulden. Der Steuerpflichtige hat daher die geforderten Steuern in voller Höhe zu zahlen, auch wenn seine eigentliche Steuerschuld tatsächlich sehr viel niedriger ist. ()