Tollkühne Männer in ihren fliegenden Dosen: Die Apollo-Mondmissionen

Seite 9: "Houston, wir hatten ein Problem": Apollo 13

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Mit Apollo 13 hatte sich die NASA neue Ziele gesetzt: Die Fähre sollte im Fra-Mauro-Hochland auf dem Mond und nicht in einem der Meere aufsetzen, die relativ eben sind. Die Mission mit der Crew James A. Lovell, Fred W. Haise und John L. Swigert startete am 11. April 1970, kehrte aber schon am 17. April 1970 wieder zurück – unplanmäßig, nach höchster Anspannung, ob die Kapsel überhaupt zurückkehren und die Crew überleben würde.

Die Crew von Apollo 13 nach der erfolgreichen Rückkehr: Fred Haise, Jim Lovell, Jack Swigert (v.l.n.r.)

(Bild: NASA)

Der Start am 11. April war planmäßig verlaufen. Die Mannschaft bestand neben dem erfahrenen Kommandanten Lovell aus zwei Neulingen im All, dem Kommandomodul-Piloten Swigert und dem Mondlandefähren-Piloten Haise. Lovell war bereits mit Gemini-Missionen und mit Apollo 8 ins All geflogen. Die ersten zwei Tage des Flugs verliefen normal, Nach 56 Flugstunden wuchs sich aber die Routineaufgabe, die Treibstofftanks des Servicemoduls zu lüften, zu einer Krise aus. Als Swigert den Ventilator einschaltete, ertönte ein lauter Knall und blinkende Warnlichter zeigten an, dass eines der Leitungssysteme des Moduls rapide Energie verlor. Swigert und Lovell meldeten an die Bodenkontrolle: "Okay, Houston, wir hatten da gerade ein Problem."

Das Kontrollzentrum während des Flugs von Apollo 13 am 13. April 1969, dem Tag der Explosion im Raumschiff. Auf dem TV-Bildschirm Fred W. Haise, Pilot der Mondlandefähre; im Vordergrund mit dem Rücken zur Kamera Eugene F. Kranz, einer der vier Flugdirektoren von Apollo 13

(Bild: NASA)

Das Raumschiff begann hin und her zu schwanken. Als Lovell stabilisieren wollte, sah er einen Gasstrahl austreten. Die Anzeigen an Bord und die in Houston empfangenen Telemtriedaten zeigten, dass einer der beiden Sauerstofftanks des Servicemoduls leer war – und zwei der drei Batterien, die das Kommando- und Servicemodul während der Mission mit Strom versorgen sollten. Dazu kam, dass Druck im zweiten Sauerstofftank fiel. Die Ursache des Problems stand bald fest: Die Sauerstofftanks des Schiffs lieferten nicht nur Treibstoff und Luft, sondern waren auch mit einer Brennstoffzelle verbunden, die die Batterien auflud. Durch eine Explosion wegen schlecht isolierter Kabel war das System geplatzt, doch die Tanks pumpten immer noch Sauerstoff hinein.

Apollo 13 war zu diesem Zeitpunkt ungefähr 330.000 km von der Erde entfernt und auf einer Flugbahn zum Mond. Die Besatzung und die Missionskontrolle unter Leitung von Flugdirektor Gene Kranz mussten sich schnell etwas einfallen lassen. Zuerst schalteten sie die Brennstoffzelle ab, um den restlichen Sauerstoff zu bewahren. Dann wollten sie Energie von den unabhängigen Systemen der Mondlandefähre abziehen, was sich als nicht machbar herausstellte, weil die Batterien der Fähre nicht stark genug waren.

Stattdessen wies man die Crew an, die Mondlandefähre (Aquarius genannt) als Rettungsboot zu benutzen. und die Vorräte in das Fahrzeug zu bringen. War es in der Apollo-Kapsel für drei Astronauten schon eng, verschärfte sich nun noch: Die Mondlandefähre war schließlich nur für zwei Besatzungsmitglieder gedacht, nun musste sich die dreiköpfige Crew dauerhaft für den Rest des Flugs darin aufhalten. Nach dem Wechsel in die Fähre sollte die Crew die Systeme des Kommando- und Servicemoduls abschalten, um sie für den Rückflug zur Erde zu schonen.

Die unmittelbare Krise war nach drei Stunden gelöst. Jetzt stand man vor der Herausforderung, die Besatzung sicher zur Erde zurückzubringen. Die Notfallpläne der NASA für einen Missionsabbruch in dieser Phase sahen vor, die Mondfähre abzuwerfen und ein vollgetanktes Kommando- und Servicemodul zu nutzen – sie waren also im akuten Fall sinnlos. Kranz und sein Team erkannten, dass die einzige Möglichkeit darin bestand, das Raumschiff ein Swing-by-Manöver um den Mond durchführen zu lassen und dann die schwachen Mondfähren-Triebwerke zu verwenden, um wieder Kurs auf die Erde zu nehmen.

In der Mondlandefähre während des Rückflugs zur Erde: Jack Swigert hält den selbstgebastelten Adapter, mit dem die Lithiumhydroxid-Kanister aus dem Kommando-Modul in der Fähre angeschlossen wurden.

(Bild: NASA)

Das Timing der Brennphasen war entscheidend: Die Triebwerke mussten bei Annäherung an den Mond für genau 30,7 Sekunden zünden, um das Schiff in eine freie Rückkehrbahn (bei der die Mondschwerkraft das Raumschiff rund um den Trabanten und wieder zurück zur Erde schleudert) zu gelangen. Eine längere Brennphase beim Rückflug sollte den Wiedereintritt um zehn Stunden vorverlegen, damit die Wasserung im Pazifik statt im Indischen Ozean erfolgen konnte.

Als das beschädigte Schiff am 15. April über die Mondrückseite flog und zeitweise keinen Kontakt zur Erde hatte, stellte die Besatzung einen Rekord auf: mit 400.171 km waren Lovell, Haise und Swigert die Menschen, die bislang am weitesten von der Erde entfernt waren.

Dafür hatten die Drei in diesem Moment wohl keinen Blick: Für die in der engen Mondfähre eingeschlossene Besatzung ging es ums Überleben. Alle Schichten der Bodenkontrolle arbeiteten gleichzeitig an verschieden Aspekten der Aufgabe, die Crew sicher zur Erde zurückzubekommen. Der Sauerstoffvorrat reichte für drei Menschen aus, aber das Wasser musste rationiert und der Energieverbrauch gedrosselt werden. Natürlich gab es keine TV-Übertragungen mehr, aber auch der Funkverkehr wurde reduziert.

Eine akute Gefahr bestand durch die Ansammlung von CO2. Beide Teile des Raumschiffs verwenden Kanister voller Lithiumhydroxid zur Luftreinigung, doch der Vorrat in der Mondfähre ging schnell zu Ende. Die Reservekanister aus dem Kommando- und Servicemodul waren nicht kompatibel. Die Techniker in Houston sahen sich eine Liste der verfügbaren Materialien an und erdachten eine Methode, wie die Besatzung einen improvisierten Adapter basteln konnte.

Bei der Annäherung zur Erde ergaben sich neue Herausforderungen. Am wichtigsten war es, das Kommando- und Servicemodul aus dem abgeschalteten Zustand zu wecken, ohne es noch mehr zu beschädigen. Niemand hatte je daran gedacht, eine solchen Ablauf im All durchzuführen.

Am 17. April stiegen die drei Astronauten wieder ins Kommandomodul von Apollo 13 (Odyssey genannt) um und schalteten es ein. Nach Abwurf des beschädigten Versorgungsteils stellte nur noch die Abtrennung der Mondlandefähre, die bislang das Überleben der Crew ermöglicht hatte, ein Risiko dar. Die Fähre wurde weggedrückt, indem man Luft in den Verbindungsschlauch zwischen den Modulen blies.

Applaus, Applaus: Freude im Kontrollzentrum, nachdem das Kommando-Modul von Apollo 13 sicher im Pazifik niedergegangen war. Im Hintergrund, beim Anzünden einer Zigarre: Dr. Robert R. Gilruth, Direkor des Manned Spacecraft Center (MSC) und Dr. Christopher C. Kraft., stellvertretender Direktor des MSC Deputy Director. Im Vordergrund (v.l.n.r.) drei der Flugdirektoren: Gerald D. Griffin, Eugene F. Kranz und Glynn S. Lunney.

(Bild: NASA)

Nachdem die Gefahr einer Kollision damit gebannt war, begann das Apollo-Kommandomodul mit dem Wiedereintritt in die Erd-Atmosphäre. Da niemand wusste, ob die Explosion die Hitzeschilde oder die Fallschirme beschädigt hatte, hielten Houston und der Rest der Welt den Atem an – vor allem, als es beim Wiedereintritt nicht viereinhalb, wie normalerweise, sondern sechs Minuten dauerte, bis Swigerts Stimme wieder zu hören war. Neun Minuten später wasserte das Kommandomodul Odyssey von Apollo 13 rund 6,5 km vom Bergungsschiff USS Iwo Jima entfernt. Die Crew war wohlauf.