VW-Affäre: 540.000 Diesel brauchen mehr als nur neue Software

Hunderttausende Besitzer eines VW-Diesels werden bald Post erhalten. Denn bei rund 540.000 Fahrzeugen dürfte ein schnelles Software-Update die Abgas-Manipulationen nicht beheben.

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Volkswagen

(Bild: dpa, Uli Deck/Archiv)

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  • dpa
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Bei über einer halben Million Diesel-Fahrzeugen wird Volkswagen die Abgas-Manipulationen nicht allein mit einem einfachen Software-Update abstellen können. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gehe davon aus, dass bei rund 540.000 Autos größere technische Änderungen durchgeführt werden müssten. Dies
teilte am Montag das Bundesverkehrsministerium in Berlin mit.

Details wurden zunächst nicht bekannt. Die Bedingungen für Änderungen an der Hardware – dazu könnten etwa Eingriffe am Motor und am Katalysator zählen – sollen die betroffenen Kunden von VW erfahren.

Hintergrund ist der vom KBA angeordnete verbindliche Rückruf für insgesamt 2,4 Millionen Wagen, der Anfang 2016 beginnen soll. Dabei geht es um verschiedene Motoren- und Fahrzeugmodelle. Um welche es sich bei den rund 540.000 Fahrzeugen genau handelt, war zunächst nicht bekannt. VW hatte bereits mitgeteilt, dass für Autos mit 2,0 Litern Hubraum reine Software-Lösungen ausreichen sollen. Bei anderen Modellen seien darüber hinaus Anpassungen in der Motortechnik nötig – also Änderungen nicht nur an der Programmierung.

Nach dpa-Informationen sind europaweit rund drei Millionen Fahrzeuge mit dem betroffenen 1,6-Liter-Diesel unterwegs. Auf die größere Variante mit 2,0 Litern Hubraum entfallen etwa 4,6 Millionen Fahrzeuge, 340 000 haben den kleinen Motor mit 1,2 Litern. Zusätzlich zu diesen insgesamt rund acht Millionen Wagen mit Euro-5-Norm ruft VW freiwillig 500 000 Diesel zurück, die nur Euro 3 und Euro 4 erfüllen.

Mitte Oktober hatte das KBA Volkswagen zu der zunächst als freiwillig geplanten Rückrufaktion verpflichtet. Laut Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dürfte sie sich bis zum Jahresende 2016 hinziehen. Ungeachtet der neuen Zahlen aus Berlin traf sich am Montag der Aufsichtsrat von Volkswagen auf dem Werksgelände in Wolfsburg zur weiteren Aufarbeitung der Abgas-Krise. Zuvor hatte sich am Morgen bereits das übergeordnete Präsidium zu Beratungen zusammengefunden.

Begleitet wurden die erneuten Krisensitzungen von massiven Protesten der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Auf dem Dach des Haupteingangs protestierten mehrere Aktivisten mit Plakaten gegen die
millionenfachen Diesel-Manipulationen sowie falsche CO2- und Verbrauchswerte bei Diesel- und Benzinfahrzeugen. Sie forderten nach eigenen Angaben mehr Transparenz und ungeschönte Abgasdaten.

Um das verlorene Vertrauen bei seinen Kunden und Geschäftspartnern in den USA zurück zu gewinnen, will Volkswagen diese mit Gutscheinen besänftigen. Besitzer von Diesel-Autos sollten als Wiedergutmachung Prepaid-Karten im Wert von 1000 US-Dollar (rund 930 Euro) bekommen sowie einen kostenlosen Pannenservice für drei Jahre, heißt es in einem Informationsschreiben, welches dpa vorlag. Demnach müssen die VW-Kunden im Gegenzug für die Geldzahlung auch nicht auf ihr Klagerecht verzichten.

Als Reaktion auf die Gutschein-Aktion in den USA forderten Verbraucherschützer eine ähnliche Regelung für deutsche Kunden. "Das Unternehmen muss zu seiner Verantwortung stehen", sagte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), der "Rheinischen Post". "Darum wären solche Gutscheine in Deutschland das Minimum, um die betroffenen Verbraucher zu entschädigen." Ähnlich äußerten sich die Grünen: "Wir brauchen einen größeren und besseren Schadenersatz für die Verbraucher", sagte Parteichefin Simone Peter.

Seit Mitte September ist Europas größter Autobauer in der schwersten Krise der VW-Unternehmensgeschichte. Den Wolfsburgern drohen wegen der Manipulationen Milliardenkosten und strafrechtliche Ermittlungen.

Der Skandal hatte sich in der vorigen Woche noch ausgeweitet: VW teilte mit, dass es auch beim Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) "Unregelmäßigkeiten" gab. Bisher legte Europas größter Autokonzern 6,7 Milliarden Euro für das Stickoxid-Problem zurück. Die "wirtschaftlichen Risiken" des hinzugekommenen CO2-Problems wurden zunächst auf weitere 2 Milliarden Euro geschätzt. (axk)