Vor der Bundestagswahl: Programm und Positionen der Grünen

Seite 2: Digitale Gesellschaft, digitale Wirtschaft, Netzpolitik

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Die Grünen begreifen sich als die Partei, mit der die ökologisch-soziale Digitalisierung gelingen wird. "Die Digitalisierung trifft auf eine Wirtschaft, in der mit ökologischen Langzeitschäden, Investitions- und Nachfrageschwäche, zu starker Konzentration von Vermögen und zu großem Ressourcenhunger einiges im Argen liegt. Wir wollen Ordnung in dieses System bringen." Diese Ordnung soll aus klaren Regeln, dem Vorgehen gegen Machtkonzentrationen und dem strikten Einhalten von Datenschutzprinzipien bestehen. Keine Firma soll "auf Kosten der Verbraucher*innen, der Umwelt, der Persönlichkeitsrechte oder der Steuerzahler*innen ihre Profite hochschrauben und einen Missbrauchsvorteil ausspielen können." Großunternehmen wie Facebook und Google sollen in die Pflicht genommen werden, ihre Steuern vor Ort zu zahlen. Der gemeinsam von Politik, Unternehmen und der Zivilgesellschaft getragene "digitale Aufbruch" soll vielfältig abgesichert werden, etwa durch zinsfreie Startkredite von 25.000 Euro und das anschließende Crowdfunding von Start-Ups, für die "neue, geeignete Rechtsformen" geschaffen werden sollen. Anschließend sollen sie von einem bundesweiten "One-Stop-Shop" betreut werden, damit sie nicht in die Venture-Fallen großer Firmen wie Google oder Microsoft rutschen.

Zu den Regeln der Digitalisierung soll ein "Recht auf Home Office" als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz gehören, mit dem die Arbeit 4.0 in allen Lebensbereichen gefördert wird und der Ausgleich von Arbeit und Freizeit neue Formen annimmt. Eine ökologische Netzpolitik ist dabei nach den Vorstellungen der Grünen gleichzeitig Verkehrspolitik: "Bits und Bytes können Energie und Material nicht nur reduzieren, sondern teilweise auch ganz ersetzen. Videokonferenzen ersetzen Geschäftsreisen, Arbeit im Homeoffice reduziert Pendler*innenströme. Nie zuvor war es so einfach, Dinge über Sharing-Plattformen zu teilen. Das reduziert materiellen Konsum."

Netzwirtschaftspolitisch wollen die Grünen zahlreiche Abkommen wir TTIP und TISA durch einen "Neustart für faire Abkommen" ablösen, Investor-Schiedsgerichte abschaffen und CETA nicht ratifizieren. Der faire Welthandel umfasst bei den Grünen Dinge wie das Recht auf menschenwürdige Arbeit bei der Ausbeutung von Rohstoffen, die Ablehnung von Saatgutpatenten und die Verpflichtung zu ökologischem Design. Auch soll die gesetzliche Mindestgewährleistungspflicht für Smartphones etc. deutlich verlängert und das jeweils stromsparendste Gerät einer Geräteklasse den gesetzlichen Mindeststandard bestimmen. Erwähnenswert ist noch, dass die Grünen herkömmliche Messgrößen wie das Bruttoinlandsprodukt durch einen Jahreswohlstandsbericht und eine Gemeinwohlbilanz ersetzen wollen.

Die Grünen wenden sich gegen die Überwachung im Namen der Sicherheit. "Wir sichern Freiheit" ist hier die programmatische Aussage des Kapitels im Wahlprogramm. "Es ist viel wirksamer, gezielt mit verhältnismäßigen Mitteln einige hundert Personen zu überwachen, die hierfür auch einen hinreichenden Anlass geboten haben, als 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger anlasslos mit der Vorratsdatenspeicherung, flächendeckender Videoüberwachung oder automatisierter Gesichtserkennung zu erfassen. Wir lehnen diese jeweils ab." Neben der Ablehnung von Überwachungstechnologien und dem Aufbau einer qualifizierten Polizei auch für die Bekämpfung der Internetkriminalität gibt es konkrete Vorschläge, den Überwachungstaat entgegenzutreten.

So soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik unabhängig vom Innenministerium eine eigenständige Behörde werden. Eine andere Behörde, die neue "Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich" (ZITIS), wird von den Grünen indirekt abgelehnt, wenn es heißt: "Daher lehnen wir es ab, dass staatliche oder private Akteur*innen IT-Sicherheitslücken für den eigenen Nutzen und zum Schaden der Allgemeinheit geheim halten". Weil der Verfassungsschutz bei seiner Überwachung sich "dauerhaft auf dem rechten Auge blind" gezeigt habe, soll er zerschlagen und durch ein "Bundesamt für Gefahrerkennung und Spionageabwehr" ersetzt werden.

Sofern die Bundeswehr die Sicherheit Deutschlands im Cyberraum gewährleisten soll, darf sie nach Ansicht der Grünen den Cyberwar nur unter parlamentarischer Kontrolle führen. Dabei soll ihr jegliche Form von "Angriffen auf zivile Netzinfrastrukturen" untersagt werden. International will man sich für eine allgemeine Konvention für Cybersicherheit stark machen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Grünen das Verbot autonomer Waffen und das Verbot der Entwicklung bewaffnungsfähiger Drohnen in ihr Wahlprogramm aufgenommen haben.

Mehrfach kritisert das grüne Wahlprogramm die irreführende Debatte um Dateneigentum und Datenreichtum, die geführt wird, um die angelegten Persönlichkeitsprofile von Google, Facebook & Co zu verharmlosen. "Personenbezogene Daten sind unveräußerlich und daher kein Handelsgut." Gegen den Daten-Ausverkauf sollen Rechtsmittel helfen: "Die Menschen müssen sich auf ihr Recht auf kostenfreie Auskunft, Korrektur und Löschung ihrer Daten verlassen können. Diesen Pflichten dürfen sich Unternehmen auch nicht dadurch entziehen, dass ihre Zentralen sich außerhalb Europas befinden."

Weitere Regeln sollen für die von Unternehmen benutzten Algorithmen eingeführt werden: "Gegen Ausspähung und Diskriminierungseffekte braucht es klare Regeln – für Transparenz und Verbraucher*innenschutz im Digitalen. Dies gilt auch für die Bestandsdatenauskunft bei der Abfrage von IP-Adressen. Hier fordern die Grünen eine Berichtspflicht der Internetzugangsanbieter. Zum privatwirtschaftlichen Datenschutz gehört nach Ansicht der Grünen auch, alle Anbieter von Gerätschaften für das "Internet der Dinge" anzuhalten, die Sicherheit der Geräte durch "Built-In-Design" von Schutzkonzepten nachzuweisen. Nur wenn der Datenschutz von Anfang an mitgedacht werde, ist er am Ende auch enthalten, so der Gedanke.