Vorstellung Nio ET9: Elektroauto soll alles übertrumpfen​

Nio zeigt das neue Topmodell ET9 mit E-Antrieb, das in Größe und technischen Daten die bekannten Konkurrenten übertreffen soll.​

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Nio ET9

(Bild: Nio)

Lesezeit: 5 Min.
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Es scheinen derzeit Grenzen automobiler Dimensionierung zu fallen. Der BMW i7 misst knapp 5,4 m, Teslas Cybertruck hat fast die Marke von 5,7 m erreicht. Wenn ein Mercedes EQS SUV mit 5,13 m einer der kürzeren Vertreter ist, sollte das mehr als nur nachdenklich machen. Doch das Wettrüsten geht weiter. Nio stellt mit dem ET9 eine Mischung aus SUV und Fließheck vor, die mit 5,32 m Länge und 2,02 m Breite mehr Verkehrsfläche beansprucht als jeder VW Bus. Auch technisch setzt die chinesische Marke auf Superlative.

Platz sollte im Nio ET9 reichlich sein. Sein Radstand misst 3,25 m. Wo Nio die Zielgruppe sieht, zeigt die Betonung der Vorzüge. Viel Bewegungsfreiheit im Fond, dazu große Bildschirme an den Rückseiten der Vordersitzkopfstützen und einen Arbeitstisch, der sich in verschiedenen Positionen arretieren lässt: Ganz klar, die Hauptpersonen sitzen hinten. Heizung, Lüftung und Massage dürfen auch dort erwartet werden. Verschattungen sollen Hitze und neugierige Blicke fernhalten. Die gesamte Unterhaltungselektronik soll mit einem 32-Core-Prozessor flott laufen. Es gibt eine aktive Geräuschdämmung, die mit Gegenschall arbeitet.

Allein all das wäre in dieser Klasse kaum genug, um wirklich aus dem Rahmen zu fallen. Daher versucht Nio, auch technisch mit Eckdaten zu werben, die derzeit kaum ein Konkurrent aufbieten kann. Ein Energiegehalt von 150 kWh in der Batterie sind auch in dieser Klasse eine Ansage. Nio macht keine Angaben zur Reichweite, doch weniger als 700 km dürften es im WLTP eher nicht sein. In fünf Minuten soll Strom für 250 km nachgeladen werden können, verspricht der Hersteller. Solche Angaben sind fraglos mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten. Auf der Präsentation war die Rede von 600 kW Ladeleistung. Die Infrastruktur dürfte auf absehbare Zeit Mühe haben, diesbezüglich mitzuhalten.

Nio ET9 (4 Bilder)

Der Nio ET9 soll bei Komfort und technischen Daten mit der etablierten Konkurrenz mindestens mithalten können.
(Bild: Nio)

Mit einer Spannungsebene von 900 Volt sind potenziell hohe Ladeleistungen möglich, wobei sie dafür nicht allein ausschlaggebend ist. Tesla macht seit Jahren vor, dass auch mit 400 Volt hohe Ladeleistungen möglich sind. Mit dem Versprechen auf extrem kurze Ladepausen nimmt Nio gleichzeitig das Argument für seine Wechselstationen gewissermaßen aus dem Rennen. Denn mit 150 kWh sind einerseits Reichweiten möglich, die kaum jemand am Stück braucht. Ob dann nach mehr als 600 km die Pause drei oder 20 Minuten dauert, wird wohl nur für eine Minderheit wirklich wichtig sein. So wirkt es fast ein wenig hilflos, wenn Nio damit wirbt, die Zeit für einen Tausch mit der nächsten Generation der Swap-Stationen um 20 Prozent gesenkt zu haben.

Auch beim Leistungsangebot der Motoren ist ein Ende des Wettrüstens nicht abzusehen, wenngleich es schwieriger wird, sich diesbezüglich von der Konkurrenz abzusetzen. Ab einem gewissen Grad schmückt Mehrleistung schließlich vor allem das Datenblatt, weniger das reale Fahrerlebnis. Mercedes und BMW belassen es in EQS und i7 derzeit bei maximal 485 kW, Nio legt nochmals nach. 340 kW leistet die E-Maschine an der Hinterachse, 180 kW jene vorn. Der Fahrer kann auf 520  kW zurückgreifen, was in der veralteten, aber noch immer oft genutzten Währung 707 PS entspricht. Angaben zu Fahrleistungen macht Nio ebenso wenig wie zu Fahrzeuggewicht und Zellchemie des Speichers. Es bleiben an dieser Stelle also nur Spekulationen: Weniger als vier Sekunden im Standardsprint, trotz wenigstens rund 2,7 Tonnen Leergewicht, werden es wohl sein.

Deutlich sichtbar am oberen Rand der Frontscheibe sind Erhebungen zu sehen, die zur Fahrerassistenz gehören. Nio verbaut zwei Weitwinkel-Lidar-Systeme. Wir gehen davon aus, dass hochautomatisiertes Fahren auf Level 3 möglich sein wird. Das heißt: Der Fahrer kann in einem exakt definiertem Szenario dem Auto die Steuerung überlassen, muss allerdings stets in der Lage sein, innerhalb einer Zeitspanne von zehn Sekunden wieder zu übernehmen. Mercedes und BMW haben für 2024 Assistenten angekündigt, die das bis 130 km/h leisten. Bei Nio wird man sich genau anschauen, was die Konkurrenz diesbezüglich auffährt. Es ist möglich, dass Nio noch einen Schritt weitergeht. Ähnlich wie beim Sprung von 2 auf Level 3 sind auch von dort aus Zwischenschritte denkbar. Hersteller könnten beispielsweise hochautomatisiertes Fahren in mehr als einem Szenario ermöglichen.

Zeit, auch dies zu beobachten, nimmt sich Nio. Vor 2025 soll die Auslieferung des ET9 nicht einmal in China beginnen, in Europa dürfte es frühestens in anderthalb Jahren so weit sein. Mit einem Preis von deutlich mehr als 100.000 Euro darf fest gerechnet werden. Grenzen fallen schließlich auch in dieser Hinsicht vielerorts.

(mfz)