Was bieten Android Auto und Apple Carplay

Einst belächelt haben sich Android Auto und Apple CarPlay zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die Systeme der Autohersteller entwickelt. Beide stehen vor größeren Veränderungen. Wir zeigen, was sie heute bieten und blicken in die absehbare Zukunft

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(Bild: Apple)

Lesezeit: 19 Min.
Von
  • Sebastian Bauer
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Die großen Infotainmentsysteme gehören heute zu den teuersten Extras, die Hersteller ab Werk anbieten. Doch warum viel Geld ausgeben, wenn man auch einfach sein Smartphone anschließen kann? Mit Android Auto, Apple Carplay und bald auch Amazons Echo Auto ist das durchaus eine attraktive Vorstellung für viele Autokäufer. Doch funktioniert die Integration so nahtlos, wie erhofft und sind die Smartphone-Systeme zuverlässige Wegbegleiter im Auto? Der Teufel steckt, wie so oft, im Detail.

2014 machte Apple mit Carplay den Anfang, Android Auto folgte kurz darauf. Seither wurden beide Systeme umfangreich weiterentwickelt, was auch nötig war. Kinderkrankheiten gab es reichlich. So war es bei Carplay vor allem die wenig hilfreiche Routenführung via Apple Maps, bei Android Auto Schwächen bei Bedienung und Stabilität.

Was bieten Android Auto und Apple Carplay (10 Bilder)

Ein weiĂź umrandeter USB-Anschluss kennzeichnet den fĂĽr die Verbindung mit Android Auto oder Apple CarPlay vorgesehenen Port.
(Bild: Sebastian Bauer)

Zugelegt haben vor allem die Sprachassistenten, denen die Autohersteller lange nichts entgegenzusetzen hatten. Zwar haben die deutschen Premiumhersteller nachgezogen und bieten inzwischen nach und nach intelligente Sprachassistenten in ihren Fahrzeugen an, über deren Sinn und Nutzen lässt allerdings durchaus streiten. Ob es dem Kunden wirklich darum geht, „Mir ist kalt“ zu sagen, statt schnell am Regler zu drehen, mag angezweifelt werden.

Die Smartphone-Assistenten sind dank Integration in das Leben ihrer Nutzer und dem Zugriff auf die dahinterstehende Suchintelligenz in der Lage, sehr viel mehr zu leisten: Zugriff auf Kontakte, Nachrichten, das Nutzen von Informationen aus Hotel- oder Flugbuchungen, Erfragen von Informationen aus dem Internet oder bei Android Auto sogar auch Ratespiele für mehrere Personen sind über das Sprachinterface möglich. Dagegen fehlt – aus nachvollziehbaren Gründen, Stichwort „Sicherheit“, die Integration in die Fahrzeugsysteme. Die Klimaanlage oder Feineinstellungen von Fahrassistenten lässt sich per Google Assistant oder Siri also nicht steuern.

Das Prinzip ist bei Carplay und Android Auto gleich: Die Verbindung des Smartphones per USB-Kabel mit dem Auto reicht. Das Rendering der Benutzeroberfläche übernehmen die Telefone, die Audioein- und ausgabe das Infotainmentsystem. Die Datenübertragung erfolgt per USB-Kabel. Hierüber laufen die Audiostreams zur Wiedergabe und Spracheingabe, der H264-Videostream für die Benutzeroberfläche und die Steuersignale vom Infotainmentsystem, sowie die Übertragung vereinzelter Fahrzeugdaten (unter anderem Kompass, GPS, Geschwindigkeit) ans Smartphone. Jegliche Datenverbindungen laufen weiterhin über das Telefon. Ausreichendes Datenvolumen muss also vorhanden sein oder man sollte darauf achten, Musik, Kartenmaterial und andere größere Datenmengen nach Möglichkeit offline verfügbar zu haben.

Android Auto baut zusätzlich zur Kabelverbindung automatisch eine Bluetooth-Verbindung mit dem Fahrzeug auf, welche per Handsfree-Protokoll (HFP) zur Telefonie verwendet wird. Apple nutzt ausschließlich die kabelgebundene Verbindung mittels Carplay-Protokoll (einschließlich iAP2).

Seit 2016 bereits bietet Apple mit Carplay Wireless die Möglichkeit an, auf das Lightning-Kabel zu verzichten. Google zog erst 2018 mit Android Auto Wireless nach. In beiden Fällen erfolgt ein zweistufiger Verbindungsprozess zuerst per Bluetooth, über den Daten ausgetauscht werden, um im Anschluss eine Wifi-Verbindung aufzubauen. Auch hier behält Android Auto die Bluetooth-Verbindung für HFP bei, während sie bei Carplay ausschließlich zur Discovery und dem Verbindungsaufbau genutzt und anschließend getrennt wird.

Wer ein audiophiles Hörerlebnis bevorzugt und entsprechende Audiodateien auf seinem Smartphone hat, wird die kabelgebundene Variante bevorzugen, da in diesem Fall über beide Systeme unkomprimierte LPCM-Streams ans Infotainment übertragen werden, während per Wifi-Verbindung AAC-Streams genutzt werden, um die anfallenden Datenmengen zu reduzieren.

Ob man auf ein Kabel verzichten möchte, ist derzeit allerdings noch eine eher theoretische. Die Auswahl an Fahrzeugen, die Carplay Wireless unterstützen, ist sehr überschaubar. Für Android Auto Wireless ist, Stand Juli 2019, noch kein einziges Modell auf dem Markt verfügbar. BMW war 2016 mit der Integration von Carplay Wireless Vorreiter, bei Audi ist die kabellose Variante in allen auf dem Modularen Infotainment-Baukasten MIB2+ aufbauenden neuen Modellen ab Mitte 2018 an Bord. Mercedes hat Carplay Wireless mit der neuen A-Klasse eingeführt – kurioserweise allerdings nur, solange man nicht die große Ausbaustufe des MBUX bestellt.

Steht die Verbindung zwischen Smartphone und Infotainmentsystem, ist die Herangehensweise mit beiden Systemen recht ähnlich: eine vereinfachte Darstellung ermöglicht den Zugriff auf zur Nutzung freigegebene und zertifizierte Apps. Damit soll sichergestellt sein, dass zugelassene Apps den Fahrer nicht unnötig vom Geschehen auf der Straße ablenken. Android Auto forciert eine verkehrsgerechte Bedienung sogar, indem intensives Scrollen beispielsweise durch eine Playlist alle paar Scrollvorgänge durch eine fünfsekundige Zwangspause bestraft wird.