Weniger ist mehr: Schärfentiefe auf aktuellen Kameraplattformen

Seite 3: Portraits

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Wie wertvoll geringe Schärfentiefe sein kann, fällt besonders beim Betrachten von Portraits auf. Ein klar vom Umfeld abgegrenztes Gesicht weckt größeres Interesse und wird deutlicher wahrgenommen als ein von zu detailliertem Hintergrund "erschlagenes" Portrait. Der für die Testbilder gewählte Aufbau reflektiert typische Gegebenheiten privater Portraitsessions, die meist in eher kleinen Räumen und ohne professionelle, großflächige Hintergründe stattfinden. Der Abstand des Models zum Hintergrund ist unter solchen Bedingen oft zwangsläufig klein, ebenso der Abstand des Fotografen zum Model.

Für die Testfotos wurde der Hintergrundstoff etwa 70 cm hinter dem Model platziert, die für reguläre Portraitsessions eher untaugliche starke Musterung des Stoffs dient der besseren Erkennbarkeit der Schärfetrennung. Zwischen der Kamera-Frontlise und dem Model lagen, je nach verwendeter Brennweite,etwa 60 bis 100 cm. Die beiden Testserien wurden mit etwa 50 beziehungsweise 85 Millimetern Kleinbild-äquivalenter Brennweite aufgenommen. Deutlich längere Brennweiten könnten wegen des zugrunde gelegten geringen Aufnahmeabstands kaum zum Einsatz kommen, allzu kurze Brennweiten wiederum hätten außer Model und Hintergrund-Material auch Teile des umgebenden Interieurs abgebildet.

An der EOS 5D kamen ein 50mm f/1,4 und ein 85mm f/1,8 zum Einsatz. Die APS-C-Aufnahmen wurden mit einer Samsung NX11 (30 mm, f/2) und der Pentax K-x (55 mm, f/1,4) angefertigt. Eine mit einem 20 mm f/1,7 und einem 14-42mm f/3,5-5,6 bestückte Panasonic G2 war für das MFT-Format zuständig. Bei den Kompaktkameras übernahmen die Samsung EX1 und die Nikon P300 das 50mm-Portrait, mit der Panasonic LX5 und der Fujifilm HS10 wurden die 85mm-Aufnahmen durchgeführt.

Die Unterschiede im direkten Bildvergleich fallen teils drastisch, teils aber auch moderat aus. Erwartungsgemäß groß ist der Abstand zwischen Kompakt- und Systemkameras. Sogar zwischen dem vergleichsweise großen Kompaktsensor 1/1,66" und dem für Systemkamera-Verhältnisse relativ kleinen Sensortyp (M)FT sind auf den ersten Blick deutliche Unterschiede auszumachen. Der erhebliche Zuwachs an Schärfentiefe ist auch in den Diagrammen zu erkennen, die unter Verwendung des Online-Rechners von Erik Krause angefertigt wurden. Zwischen größenmäßig benachbarten Plattformen wie APS-C und Four Thirds fallen die Unterschiede der Schärfentrennung weniger ins Gewicht, sind aber dennoch gut zu erkennen.

Dass die Portraitreihen nicht nur mit 85, sondern auch mit 50 mm Kleinbildbrennweite fotografiert wurden, mag manchen verwundern. Vielen Fotografen gelten erst Brennweiten ab mindestens 70 Millimetern als portraittauglich. Grund dafür ist das mit kurzen Brennweiten und entsprechend großen Bildwinkeln verbundene, für Gesichter wenig vorteilhafte Abbildungsverhalten. Andererseits sind lichtstarke Objektive um 50 mm KB-Brennweite oft zu recht günstigen Preisen erhältlich, das Canon 50mm f/1,8 kostet beispielsweise nur etwa 110 Euro. Wer solche Objektive für Portraitsessions einsetzt, sollte allerdings auf ausreichenden Abstand zum Model achten - andernfalls kommt es leicht zu der in den Fotos der folgenden Bilderstrecke erkennbaren, leicht sphärischen Abbildung des Gesichts.