Wie geht es der deutschen Motorradbranche
Der Neumotorradverkauf in Deutschland ist aber im Aufwind, sorgt für Umsatz und sichert Arbeitsplätze. Auch 2016 dürfte ein gutes Jahr werden, denn die Verkaufszahlen liegen zurzeit sogar leicht über denen des Vorjahreszeitraums. Das ist erfreulich und lässt hoffen. Doch übertriebene Euphorie ist hier fehl am Platz. Falls die Konjunktur in Deutschland nachlassen sollte, werden die Verkaufszahlen der Motorräder sehr rasch sinken, weil das Motorrad heute keine Behelfsmobilisierung in schlechten Zeiten, sondern vielmehr ein teures Hobby ist. Kaum jemand über 18 Jahre benutzt heute ein Kraftrad für alltägliche Fahrten. Ergo ist der Motorradverkauf eng an die konjunkturelle Entwicklung gebunden.
Damit sich das ändert, wäre die Motorradindustrie und damit der IVM gefordert. Initiativen wie „Viva La Mopped“ sind sicher gut gemeint, erreichen aber kaum die Öffentlichkeit. Die Studie von Economica erklärt, dass die Nutzung eines motorisierten Zweirads im Vergleich zum Auto einen volkswirtschaftlichen Zeitgewinn durch kürzere Parkplatzsuche von 60,4 Millionen Euro im Jahr bringen würde. Was aber niemanden zum Kauf eines Motorrads animieren dürfte – wer keine Lust auf Parkplatzsuche hat, wird wohl eher auf Busse und Bahnen umsteigen. Auch der Hinweis auf die Einsparung von Treibhausemissionen wird wohl nicht einmal Öko-Aktivisten auf das Motorrad bringen. Der Käufer eines neuen Motorrads interessiert sich nicht für die Verbrauchs- oder gar Emissionswerte, bei seinem Hobby will er wissen, wieviel PS und Kilogramm ihn erwarten, und ob auch ein Kurven-ABS erhältlich ist.
Schwaches Marketing
Die in der Studie aufgeführten Statistiken und Zahlen mögen für sich genommen stimmen, werden aber den Verkauf nicht ankurbeln. Die Anstrengungen des IVM könnten dahin gehen, das Motorrad zum Lifestyle-Produkt zu machen, um neue Käuferschichten zu erreichen. Reiner Brendicke sagte selber: „Design, Emotion und Lebensstil“ machen das Motorrad aus. Zwar sind einige attraktive und gleichzeitig günstige Modelle in jüngster Zeit auf den Markt gekommen, aber die Akzeptanz des Motorrads in Deutschland ist eher dürftig. Wer je in Italien, Spanien oder Frankreich war, weiß, was Motorradbegeisterung bedeutet. Es gibt in Deutschland fast sechs Millionen Motorradbesitzer, aber immer noch einen viel zu hohen Bevölkerungsanteil, für den das Motorrad negativ belegt ist oder ihm einfach gleichgültig gegenübersteht.
Das Motorrad hätte das Zeug zum Trendsetter, und eingeschränkt ist es das sogar bereits mit Retro-Bikes wie die BMW R NineT, Ducati Scrambler oder die Triumph Bonneville. Sie sind „hip“ und ziehen auf einmal Kunden an, die bislang noch nicht einmal den Kauf eines Motorrads auch nur in Erwägung haben. Die Industrie setzt aber momentan weitestgehend darauf, dass der Kunde von alleine zum Motorrad kommt, statt ihrem Produkt mit cleverem Marketing den Weg in die Zukunft zu ebnen. (fpi)