ZVEI-Verband: "Stromnetz zurzeit nicht energiewendefähig"

Der Verband der deutschen Elektro- und Digitalindustrie mahnt große Schritte beim Stromnetze-Ausbau an. Der Strommarkt der Zukunft erfordere das.

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(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

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Der ZVEI, Verband der deutschen Elektro- und Digitalindustrie, fordert, dass in diesem Jahr die Gestaltung der Energiewende wieder mehr in den Fokus gerückt wird.

Wie Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung erklärt, habe sich die Politik im zurückliegenden Jahr wegen des Ukraine-Kriegs vor allem "den Herausforderungen Energiesicherheit und Bezahlbarkeit" zugewandt. Nun müsse aber auch die Netzinfrastruktur zügig ausgebaut und zugleich die Digitalisierung des Stromnetzes vorangetrieben werden. Auch eine Weiterentwicklung des Strommarktdesigns wird gefordert.

Der Verband rechnet vor, dass im Jahr 2045 90 Prozent des Energiebedarfs durch Strom gedeckt werden soll. Aktuell läge der Strombedarf in Deutschland bei 550 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a). Die fortschreitende Elektrifizierung, wie etwa durch Elektroautos, Ladepunkte, aber auch Wärmepumpen für die Wärmeversorgung, steigere den Strombedarf bis 2030 auf über 700 TWh/a. Für das Jahr 2045 prognostiziert der Verband einen Strombedarf von 1000 bis 1200 TWh/a. Um diesen Bedarf zu decken, müssten sich "die Erzeugungskapazitäten bei den erneuerbaren Energien mindestens um das 4,5-Fache steigern [...] – und damit steigen die Anforderungen an das Stromnetz immens". Weber macht deutlich: "Um es klar zu sagen: Darauf ist unser Stromnetz derzeit nicht ausgelegt. Es ist nicht energiewendefähig".

Klimaneutralität sei ohne ein starkes Stromnetz nicht möglich. Das künftige Stromnetz müsse demnach zu einem "Klimaneutralitätsnetz" umgebaut werden. So fordert der ZVEI, dass neben dem physischen Ausbau auch die Digitalisierung der Netze vorangetrieben wird. Unter anderem müsse mehr Tempo in den flächendeckenden Rollout intelligenter Messsysteme wie Smart-Meter kommen. Eine so konsequent ausgeführte Elektrifizierung und Digitalisierung ermögliche laut Verband eine Reduzierung des Primärenergieverbrauchs um bis zu 65 Prozent: "Durch eine dezentrale Energieerzeugung mit Speicherung, Verteilung im Quartier, mit digitalen Netzanschlüssen, Sektorenkopplung mit Photovoltaik, Wärmepumpe und E-Mobilität und nicht zuletzt durch die immensen Effizienzgewinne der direkten Stromnutzung sind die gesetzten Klimaziele zu erreichen."

Aus Sicht des ZVEI müsse auch das Strommarktdesign angepasst werden: "Der Strompreis muss weiter von Steuern, Umlagen und Abgaben entlastet werden", erklärt Weber. Darüber hinaus seien dynamische Stromtarife wichtig. "Das künftige Strommarktdesign muss so gestaltet sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher unmittelbar von attraktiven Preisen für Strom aus erneuerbaren Energien profitieren."

Für das vergangene Jahr kann der Verband indessen positive Nachrichten für sich verkünden. Trotz des Ukraine-Kriegs, der Energiekrise, der Inflation und weiterhin angespannter Lieferketten, sei die preisbereinigte Produktion der Branche dennoch zwischen Januar und November um 3,7 Prozent gewachsen. Das sei fast eine Punktlandung für die Jahresprognose von vier Prozent.

Diese robuste Entwicklung unterstreiche die Stärke der Elektro- und Digitalindustrie, so Dr. Gunther Kegel, ZVEI-Präsident. "Unsere Branche profitiert erkennbar von den beiden großen Treibern Elektrifizierung und Digitalisierung, die aufs Engste mit uns verbunden sind."

Die Zahl der Beschäftigten in diesem Industriebereich lag zuletzt bei knapp 895.000 und damit 2,3 Prozent über dem Vorjahr. Die nominalen Erlöse stiegen dem ZVEI zufolge im vergangenen Jahr um zwölf Prozent auf ein Rekordhoch von 224 Milliarden Euro. AM höchsten waren die Zuwächse bei elektronischen Bauelementen (+ 21 Prozent). Es folgen Informations- und Kommunikationstechnik, Batterien, Energietechnik (alle + 14 Prozent) und Automation (+ 12 Prozent).

Auch beim Export blickt der ZVEI abermals auf ein Rekordjahr zurück. Die deutschen Elektroausfuhren erreichten einen Wert von 246 Milliarden Euro (inklusive Re-Exporte) – ein Plus von neun Prozent. Wichtigster Absatzmarkt sei die Europäische Union mit Elektrolieferungen in Höhe von 126 Milliarden Euro gewesen.

Kegel fordert hier auch mehr Konzentration auf den Binnenmarkt der EU: Dieser sei "das größte Asset der EU". Die Globalisierung steht aus seiner Sicht an einem Scheitelpunkt. Sowohl die protektionistische Wirtschaftspolitik Chinas, als auch die Wirtschaftsförderungen in den USA seien ein hohes Risiko. "Die EU muss entschlossen gegensteuern und mehr bilaterale Handels- und Rohstoffabkommen abschließen", so Kegel. Der Binnenmarkt müsse unternehmerisch und regulatorisch weiterentwickelt werden. Für das laufende Jahr zeigte sich Kegel für seinen Verband zuversichtlich.

Die deutsche Solarbranche als auch die Offshore-Windkraft fordern eine ähnliche Fokussierung auf den europäischen Markt und eine Stärkung der Industrien vor Ort.

(kbe)