Zu wenig, zu langsam: Verkehrspolitik der Ampel nur "ausreichend"

ACE, ADFC und Allianz pro Schiene stellen der Regierung zur Halbzeit kein gutes Zeugnis für die Verkehrspolitik aus. Es fehlt noch immer die Infrastruktur.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 238 Kommentare lesen

Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene

(Bild: heise online/sht)

Lesezeit: 5 Min.

Drei Verkehrsverbände aus den Bereichen Schienenverkehr, Fahrrad und Auto haben untersucht, wie weit die Ampelregierung zur Halbzeit der Legislaturperiode mit den geplanten Maßnahmen zur Verkehrspolitik gekommen ist. Auch wenn manches gut läuft: Die Umsetzung vieler im Koalitionsvertrag beschlossener Maßnahmen kommt kaum voran.

Besonders groß ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Bereich der E-Autos. Von 68 fest eingeplanten Maßnahmen des Masterplan Ladeinfrastruktur befänden sich gerade einmal neun derzeit in Umsetzung, so Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto Club Europa (ACE). "Das ist viel zu wenig", so Heimlich. Dabei sei es bei dem Ausbau der Ladenetze wichtig, Industrie und öffentliche Hand gemeinsam ins Boot zu holen. Zwar zeige das Beispiel Tesla, dass vieles auch rein privatwirtschaftlich zu stemmen sei. Doch im Pariser Klimavertrag sei der Ausbau als gesellschaftliche Aufgabe geregelt, was den Staat in die Pflicht nimmt. Die bisherigen Bemühungen reichen den Verbänden so eben noch für die Schulnote 3.

Angst vor zu hohem Stromverbrauch, falls das Ziel von 15 Millionen E-Autos in Deutschland bis 2030 erreicht werden sollte, ist laut Heimlich nicht angebracht. Der gesamte Mehrverbrauch betrage dann gerade einmal fünf Prozent, unter anderem durch sinkenden Stromverbrauch bei der Herstellung von Benzin und Diesel.

Das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel, Deutschland zum Leitmarkt der Elektromobilität zu machen, sieht der Verband durch die Stärke Chinas als gescheitert an. Vor allem erschwingliche E-Autos würden hauptsächlich von chinesischen Herstellern gebaut, so Heimlich. "China hat uns längst überholt – und es ist schwer vorstellbar, dass wir das in den nächsten zwei Jahren noch aufholen können", so der ACE-Vorsitzende. Hier vergeben die drei Verbände die Note 5.

Auch wenn der Radverkehr im Koalitionsvertrag nur wenige Zeilen einnimmt, hatte die Regierung sich einiges vorgenommen: Man wollte den nationalen Radverkehrsplan umsetzen, die Kombination von Rad und ÖPNV fördern und das Land bis 2030 zu einem attraktiven Fahrradland machen. Angela Kohls, Leiterin Verkehrspolitik beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) ist unzufrieden: "Die Bundesregierung hält beim Radverkehr nicht, was sie versprochen hat. Wer die Mittel für den Radwegausbau drastisch kürzt, kein Umsetzungskonzept für den Nationalen Radverkehrsplan vorlegt und im Verkehrsrecht weiter den flüssigen Kfz-Verkehr vor die Sicherheit der Menschen und eine nachhaltige Verkehrsplanung setzt – der meint es nicht ernst mit der Fahrradförderung." Das bringe auch Nachteile bei der Umsetzung der Klimaziele mit, so Kohls, denn mit vergleichsweise wenig Geldmitteln könne der schnelle Ausbau des Radwegnetzes ein großer Hebel sein. Davon ist jedoch kaum etwas zu sehen: "Radfahren in Deutschland bleibt etwas für Mutige", so Kohls. Note 4-.

Noch am besten schneidet für Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, der Zugverkehr ab. Das liegt nicht zuletzt am Deutschlandticket, das den bundesweiten Nahverkehr revolutioniert habe. Alleine die Tatsache, dass die langfristige Finanzierung noch unklar ist, verhinderte in diesem Bereich ein "sehr gut", so steht unter dem Strich eine 1-2.

Dass zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte im Koalitionsvertrag der Schiene Priorität vor dem Straßenverkehr zugestanden wurde, begrüßt der Verband wenig überraschend. Dass Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) trotzdem häufig die Wichtigkeit des LKW-Verkehrs und des Ausbaus des Straßennetzes betont, sorgt unterdessen für Kopfschütteln und verunsichere auch Investoren aus dem Ausland, so Flege. Viel zu tun gibt es nach wie vor beim Ausbau und der Elektrifizierung des Schienennetzes. Damit die Regierung ihr selbst gesetztes Ziel, bis 2030 wenigstens 75 Prozent des Netzes zu elektrifizieren, erreichen kann, müsste der Umbau in achtfacher Geschwindigkeit laufen. Das ist bisher kaum absehbar.

Laut Flege spielen die inkonsistente Verkehrspolitik in diesem Bereich und die jahrzehntelange Vernachlässigung der Infrastruktur auch eine gewichtige Rolle bei den aktuellen Problemen der Bahn mit Verspätungen, Ausfällen und insgesamt schlechtem Service. Zwar lägen hier auch gravierende Managementproblem der Betreiber vor, doch diese resultieren auch aus systemischer Fehlsteuerung durch den Bund. Es brauche dringend eine gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte bei der Deutschen Bahn. Unter dem Strich erhielt der Schienenverkehr die Note "befriedigend".

Am Ende erhält die Regierung für ihre Verkehrspolitik zur Halbzeit von den Verbänden die Note 4. Die genauen Ergebnisse des Ampel-Checks der drei Verbände sind auf der entsprechenden Website einsehbar. Der Fortschritt soll quartalsweise aktualisiert werden, so die drei Verbände.

(sht)