Öffnungspläne für den Arbeitsmarkt unter Beschuss

Man könne nicht über Dumpinggehälter klagen und gleichzeitig im großen Stil Arbeitskräfte aus Osteuropa nach Deutschland holen, meint Unions-Fraktionsvize Kauder. Arbeitsagentur-Chef Weise will gegen den Fachkräftemangel Frauen und Ältere fördern.

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Von
  • Jürgen Kuri

Erntehelfer oder Ingenieure aus Osteuropa könnten früher als geplant freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten – diese Überlegungen stellt man in Franz Münteferings Arbeitsministerium seit einiger Zeit an. Vom Koalitionspartner CDU gibt's nun dafür Schelte: "Eine vorzeitige Öffnung wäre das falsche Signal", sagte Volker Kauder, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Bild-Zeitung. Aber auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, hält nichts von den Überlegungen im Arbeitsministerium: Mit Blick auf die Arbeitslosen könne er "nur darauf dringen, dass eine Zuwanderung absolut restriktiv erfolgen sollte. Die Arbeitsagenturen sollen die Menschen in Arbeit bringen, und dann stört es mich schon, wenn wir uns gleichzeitig Konkurrenz hereinholen", erklärte Weise gegenüber der Berliner Zeitung.

"Wenn es mit dem Arbeitskräftemangel in Deutschland so weitergeht, wäre es denkbar, die Beschränkungen für osteuropäische Arbeitnehmer schon vor dem Jahr 2009 aufzuheben", hatte der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Gerd Andres (SPD), vor einigen Tagen erklärt. Er reagierte damit auf die Klagen von Industrie und vor allem IT-Branche über den Fachkräftemangel sowie der Bauern über fehlende Erntehelfer aus Osteuropa. Deutschland hatte nach dem Beitritt Polens und anderer Staaten Osteuropas zur Europäischen Union im Jahr 2004 die eigentlich mit den Beitritten der osteuropäischen Staaten verbundene Arbeitnehmerfreizügigkeit zunächst für zwei und im vergangenen Jahr für weitere drei Jahre eingeschränkt. Im Mai 2009 könnte die Bundesregierung die Einschränkungen noch einmal für zwei Jahre bis 2011 verlängern. Diese Möglichkeiten sehen die Übergangsregelungen des Beitrittsvertrags vor, der für die Osterweiterung der EU geschlossen wurde. Den vollen Umfang dieser möglichen Beschränkungen nutzen aber nur Deutschland und Österreich.

Man könne sich nicht auf der einen Seite über Dumpinggehälter beklagen und gleichzeitig im großen Stil Arbeitskräfte aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland holen, die hier für Billiglöhne arbeiten wollten, meinte Kauder nun zu den Äußerungen von Andres. Der Unions-Fraktionsvize ist aber nicht nur gegen eine vorgezogene Öffnung des Arbeitsmarkts, er möchte die möglichen Fristen in der EU-Beitrittsvereinbarung voll ausnutzen: Er sei aus heutiger Sicht dafür, "die vollständige Öffnung unseres Arbeitsmarktes auf 2011 zu verschieben".

Arbeitsagentur-Chef Weise befürchtet ebenfalls, dass bei einer sofortigen Öffnung des Arbeitsmarkts für die osteuropäischen EU-Beitrittsländer viele wenig ausgebildete Billig-Jobber nach Deutschland kämen. Dies seien jene Plätze, die "am schnellsten wieder wegrationalisiert würden. Damit wäre niemandem geholfen". Angesichts des allseits in der Industrie beklagten Fachkräftemangels schlug Weise eine gezielte Förderung von Frauen vor: "Bei den Frauen haben wir das größte Potenzial für Fachkräfte, gerade im technischen Bereich. Wir müssen in Deutschland die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, um dieses große Reservoir erschließen zu können." Darüber hinaus kritisierte Weise die Unternehmen, sich nicht genügend um Fachkräftenachwuchs und die Qualifizierung von Älteren gekümmert zu haben.

Zu den gegenwärtigen Klagen vieler Branchen und besonders der IT-Firmen über angeblichen Facharbeitermangel siehe auch den Hintergrundbericht in der aktuellen c't (seit dem 23. Juli im Handel):

  • Gefühlter Mangel, Wie viele Informatiker braucht die Wirtschaft?, c't 16/07, S. 78

Zu dem Thema siehe auch: