Breitbandausbau: „Wir haben noch eine Menge freizuräumen”

Nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition betonen die Fachpolitiker der Fraktionen ihre Gemeinsamkeiten in Sachen Breitbandausbau – und träumen ein bisschen von Möglichkeiten unter einer Minderheitsregierung.

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Breitbandausbau: „Wir haben noch eine Menge freizuräumen”

Einig in vielen Fragen: Anke Domscheit-Berg (Die Linke), Nicola Beer (FDP), Tabea Rößner (Grüne), Moderator Remco van der Velden, Thomas Jarzombek (CDU), Jürgen Hernichel (Breko-Vizepräsident), Jens Zimmermann (SPD) (v.l.)

(Bild: Breko/Henning Hattendorf)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ob nun Jamaika oder doch wieder Groko: Die nächste Bundesregierung wird sich intensiv mit dem Breitbandausbau in Deutschland beschäftigen müssen. Wenn die Papiere, die im Zuge der Sondierungsgespräche zwischen Union, Gründen und Liberalen öffentlich wurden, ein Maßstab für die Zukunft sind, bleibt das Thema heiß. In Berlin wird zwar gerne mit breiter Brust die Glasfaser-Zukunft beschworen, den großen Wurf hat bisher aber niemand gewagt. Dabei gibt es auf der Fachebene mehr Übereinstimmungen als nach den geplatzten Sondierungsgesprächen für eine schwarz-gelb-grüne Koalition zu vermuten war.

Debatte: Breitband-Ausbau in Deutschland

Glasfaser-Internet ist in Deutschland ein Ladenhüter. Kein Wunder, denn Vectoring sei wirtschaftlich meist sinnvoller: Glasfaser für Alle? Welch ein Unfug!, kommentierte Ernst Ahlers – und löste damit eine heftige Debatte aus, nicht nur im Diskussionsforum. Einige Reaktionen Pro und Contra:

Auch auf der Jahrestagung des Breko-Verbands in der vergangenen Woche in Berlin waren die Nachwehen der gescheiterten Jamaika-Sondierung zu spüren. Die Netzpolitiker der Parteien hatten etwas aufzuarbeiten. „Es gibt irgendwo einen Punkt, da können sie nicht unterschreiben, wenn sie am nächsten Morgen noch in den Spiegel gucken wollen”, rechtfertigt FDP-Generalsekretärin Nicola Beer den Abbruch der Gespräche durch die Liberalen.

Bei den potenziellen Koalitionspartnern überwiegt die Enttäuschung. „Ich bedaure das Ergebnis sehr”, sagt Thomas Jarzombek für die CDU, die „gerne regieren” möchte. Auch Tabea Rößner von den Grünen zeigt sich „persönlich enttäuscht, weil das Bündnis wirklich hätte was bewegen können”. Dabei hätte sich die grüne Netz-Expertin „gewünscht, dass wir uns in der Sondierung auf die großen Bögen verständigt hätten, aber was wir gemacht haben, war sehr stark ins Detail zu gehen”.

Doch bei allem Geplänkel überwiegt die Übereinstimmung in zentralen Fragen. „Was uns besonders am Herzen liegt: dass es wirklich zu einem flächendeckenden Glasfaserausbau kommt”, sagt Beer – daran seien die Gespräche auch nicht gescheitert. „Wenn wir uns auf kein Ziel verständigen, werden wir es auch nicht erreichen”, appelliert Breko-Vize Jürgen Hernichel von 1&1 Versatel an die Politiker, ein klares Infrastrukturziel zu formulieren. Dabei dürfe die Förderung nicht untergraben, was an eigenwirtschaftlichem Ausbau stattfinde. „Es kann nicht sein, dass Fördergelder in alte Technologien gesteckt werden.”

Das sieht Anke Domscheit-Berg ähnlich. Die frischgebackene Bundestagsabgeordnete der Linken warnt vor dem hinlänglich bekannten Szenario, dass die Kommunen den Ausbau beschließen, und „dann kommt ein Unternehmen, das jahrelang Däumchen gedreht hat”. Dass die Telekom ein Problem sein kann, weiß auch der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann: „Die Telekom ist auf dem deutschen Markt das mächstigste Unternehmen”, sagt der SPD-Mann. „Ich würde mir wünschen, dass die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt dieser Macht gegenüber deutlich aggressiver auftreten.”

„Wir sind dafür, das auch eigenwirtschaftlich zu machen, sonst müssen wir zu 100 Prozent fördern”, sagt Beer. Auch Jarzombek hält den privatwirtschaftlichen Ausbau von Open-Access-Netzen für den „richtigen Weg”. Und der muss auch gar nicht so langwierig sein, meint der CDU-Mann aus Düsseldorf. Allerdings sei es nicht besonders sinnvoll, „Kabelnetze, die mit Docsis 3.1 auch ein Gigabit schaffen, jetzt nochmal zu überbauen mit Staatsknete. Da möchte ich nochmal drüber diskutieren.”

Rößner möchte, dass der Staat seine Anteile an der Telekom verkauft – das war auch Thema bei den Sondierungsgesprächen. Die grüne Abgeordnete sieht einen Interessenkonflikt, der dann „auch zu dieser Vectoringentscheidung geführt hat”. Da ist sie sich zumindest mit der Kollegin von den Linken einig – und auch die SPD ist aufgeschlossen. “Wir können über die Telekom sprechen”, sagt Zimmermann, will das aber nicht mit dem Breitbandausbau verknüpft wissen. Selbst in der Union gibt es erste Stimmen für einen Verkauf.

Damit es mit der Glasfaser endlich vorangeht, müsse der Genehmigungsdschungel gelichtet werden, meint Domscheit-Berg. Für ein paar Kilometer Glasstrecke müssten Formalien mit mehreren Behörden erledigt werden. Es gehe nicht nur ums Geld, es stelle sich „auch die Frage, wie können wir den Prozess beschleunigen”. Auch die FDP sieht da Verbesserungspotenzial: Beim Baugesetzbuch könnte man ansetzen, meint Beer, „da haben wir noch eine Menge freizuräumen”.

Und während sich die SPD noch ziert, wieder eine Koalition mit der Union einzugehen, flirtet die Fachebene unverhohlen mit einer Minderheitsregierung. Domscheit-Berg fände „eine linke Alternative natürlich besser”, sieht in einer Minderheitsregierung unter CDU-Führung aber die Chance, die „Demokratie wiederzubeleben, weil wir dann sachbezogen Lösungen finden müssen”.

Auch Jarzombek meint, so eine konstruktive Zusammenarbeit im Parlament könnte klappen. „Wir finden schnell ein paar Gesetze, die wir zusammen machen wollen – oder die wir zusammen abschaffen wollen.” Allerdings weiß der CDU-Mann, dass das in der Union wohl nicht die Mehrheitsmeinung ist. „Bei einer Minderheitsregierung kann ein Parlament doch erfolgreich arbeiten”, sagt auch Zimmermann. „Für wen es schwierig wird, keine Frage, ist immer die Regierung.“

Dass sich die Sozialdemokraten zieren und vom Bundespräsidenten zu Gesprächen getragen werden müssen, erklärt Zimmermann mit dem Wahlergebnis: „Wenn die Koalition 14 Prozent weniger bekommt, ist das ja nicht der große Vertrauensbeweis. Wenn die Liebeshochzeiten nicht zustande kommen, dann müssen die Sozialdemokraten wieder für die Vernunftehe herhalten. Da würde ich mir von den anderen auch ein bisschen mehr Liebe wünschen.” Domscheit-Berg hat da eine Lösung: „R2G wäre ja eine Möglichkeit gewesen, vielleicht hätte die SPD dann auch ein bisschen mehr Liebe vom Wähler bekommen.” (vbr)